Newsletter Abfall November 2021

VG Cottbus zu asbesthaltigem Bauschutt

Die Abfallbehörde darf einen Windparkbetreiber verpflichten, geringfügig asbesthaltigen Bauschutt, der bei der Errichtung der Zufahrten zu dem Windpark verbaut wurde, auszubauen und zu beseitigen. Das hat das Verwaltungsgericht Cottbus mit Urteil vom 17.06.2021 entschieden (Az.: 3 K 368/16).

Die Verwendung von asbesthaltigem Bauschutt im Wegebau ist eine wiederkehrende Problematik in der Beratungspraxis. Das VG Cottbus hat bei alledem eine strenge abfallrechtliche Anordnung bestätigt.

Konkret wurde die Betreiberin eines Windparks verpflichtet, mit Asbest verunreinigtem Bauschutt auf Zufahrten zu Windkraftanlagen ordnungsgemäß zu entsorgen. Sie hatte den Windpark mit Zufahrten errichten lassen. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass dabei Bauschutt verwendet wurde, der einen verhältnismäßig geringen Anteil an Asbestfaserplatten aufwies. Deren Herkunft war – wie häufig – unklar. Die Windparkbetreiberin sah sich angesichts erwarteter Entsorgungskosten von über 800.000 Euro in ihrer Existenz bedroht.

Rechtsgrundlage Abfall- und nicht Bodenschutzrecht

Die Anwendbarkeit des Abfall- und nicht des Bodenschutzrechts begründete das VG Cottbus recht knapp mit der Feststellung, dass die Wege auf gepachteten Flächen errichtet, deshalb nicht wesentlicher Bestandteil der Grundstücke und deshalb auch nicht Boden im Sinne des Bodenschutzrechts geworden seien. Eine Differenzierung zwischen einer
zivilrechtlichen und einer abfallrechtlichen Verkehrsanschauung, wie sie das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 08.07.2020 zu Klärschlammlagerplätzen entwickelte, war dafür nicht notwendig (vgl. dazu den [GGSC]-Abfallnewsletter Januar 2021).

Abfalleigenschaft des Bauschutts

Ferner entschied das VG Cottbus, dass die Abfalleigenschaft des asbesthaltigen Bauschutts noch nicht durch die Einbringung in den Wegebau beendet worden sei. Zwar handele es sich bei der Verwendung um eine Verwertung. Allerdings endet die Abfalleigenschaft erst, wenn die Verwendung der entsprechenden Stoffe insgesamt nicht zu schädlichen Auswirkungen auf Mensch oder Umwelt führt (§ 5 Abs. 1 Nr. 4 KrWG). Das sei hier nicht der Fall, weil schon eine eingeatmete Asbestfaser ausreichen könne, um Krebs und Asbestose auszulösen und die menschliche Lunge irreparabel zu schädigen. Witterungseinflüsse würden für ein stetiges Freiliegen und Freisetzen von Asbestfasern in die Atemluft sorgen.

Eine ordnungsgemäße Verwertung liege nicht vor, weil dem Bauschutt asbesthaltige Baustoffe beigemengt worden seien, die Asbest mit einem Massengehalt von mehr als 0,1 % enthielten. Das widerspreche den gefahrstoffrechtlichen Anforderungen.

Maßgeblicher Massengehalt: 0,1 % der Asbestzementbruchstücke

Zwar lag der Asbestanteil an dem Bauschutt insgesamt deutlich unter 0,1 %. Es komme aber nicht auf den Massengehalt von Asbest im gesamten Recyclingmaterial an, sondern nur auf den Massengehalt von Asbest in den darin enthaltenen Asbestzementbruchstücken. Da die Vermischung des unbelasteten Recyclingmaterials und des asbesthaltigen Abfalls unzulässig sei, dürfe die spätere Besitzerin des Materials hieraus auch keine Vorteile ziehen.

Das Verwaltungsgericht hielt die angeordnete Beseitigung auch für ermessensfehlerfrei. Zwar gehe von Asbestzementplatten keine unmittelbare Gefahr aus, wenn diese intakt und in einem guten, unbeschädigten Zustand seien, da die Asbestmineralien dann im Zement verblieben. Im vorliegenden Fall genüge jedoch die entfernte Gefahr, dass die Asbestzementplatten durch Befahren mit schwerem Gerät oder durch witterungsbedingte Einflüsse beschädigt und dadurch
gesundheitsschädliche Asbestfasern freigesetzt würden.

Die Betreiberin der Windkraftanlage könne als Abfallbesitzerin verpflichtet werden, da sie die tatsächliche Sachherrschaft über den Weg ausübe. Da nicht bekannt sei, bei wem der asbesthaltige Abfall zuerst angefallen sei und wer die unzulässige Vermischung vorgenommen habe, könne die Abfallbesitzerin unter Effektivitätsgesichtspunkten im Rahmen der Störerauswahl herangezogen werden. Auch sei die Maßnahme verhältnismäßig. Eine Versiegelung der Fläche als alternative Maßnahme sei nicht gleich geeignet.
Zudem sei die angeordnete Maßnahme nicht mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden, weil die Betreiberin mit ihrem Windpark weiterhin Gewinn erwirtschaften könne.

Fazit

Das VG Cottbus hat mit dieser Entscheidung sehr strenge Anforderungen an die Beseitigung von asbesthaltigem Bauschutt gestellt. Es ist zwar zweifellos richtig, dass Abfälle mit einem Asbestanteil von mehr als 0,1 % nicht mit anderem Bauschutt vermischt werden dürfen. Fraglich ist aber, ob es für den Erlass einer Beseitigungsanordnung völlig unerheblich sein kann, wie hoch der Anteil des asbesthaltigen Bauschutts am gesamten Material ist, wenn dem (bloßen) Abfallbesitzer eine (unzulässige) Vermischung nicht vorgeworfen werden kann. Auch die geringe Expositionswahrscheinlichkeit auf typischerweise nur gering frequentierten Wegen in einem Windpark hat das Gericht nicht berücksichtigt.

Insgesamt ist fraglich, ob die Gefährlichkeit bereits einer eingeatmeten Asbestfaser eine Beseitigungsanordnung von Bauschuttgemischen mit sehr geringen Mengen asbesthaltiger Abfälle stets rechtfertigen kann, wenn auch eine bewusste und gezielte Verwendung von asbesthaltigen Materialien bis zu einem Massengehalt von 0,1 % noch zulässig ist.

Co-Autor: Rechtsanwalt Sebastian Runschke

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