Reformierung des Vergaberechts: einfacher, schneller – besser?
Vereinfachung, Entschlackung, Beschleunigung – das sind die aktuellen Schlagworte, die politische Handlungsfähigkeit demonstrieren und staatliche Handlungsfähigkeit bewirken sollen. Vereinfacht, entschlackt und beschleunigt werden sollen nach den Vorstellungen von CDU/CSU und SPD laut Koalitionsvertrag für die 21. Legislaturperiode so einige Bereiche des staatlichen Handelns – darunter auch Beschaffungen durch die öffentliche Hand. Den Koalitionspartnern schweben u. a. vereinfachte Vergabeverfahren, eine gemeinsame digitale Bestellplattform für Bund, Länder und Kommunen und eine Anhebung der Schwellenwerte für (Direkt-)Aufträge vor.
Die Bundesländer teilen weitgehend die Ziele des Bundes zur Vereinfachung und Beschleunigung des Vergabeverfahrens. Einige Bundesländer haben bereits ihre Vorgaben für die Vergabe im Unterschwellenbereich angepasst.
In Brandenburg bspw. gilt seit dem 01.01.2025 ein neuer Schwellenwert für Direktaufträge für Bau-/Liefer-/Dienstleistungen von 100.000 € netto (vgl. § 28 Abs. 2 und 3 KomHKV Brandenburg). Damit wurde der ursprüngliche Schwellenwert für Direktaufträge von Bauleistungen (§ 3a Abs. 4 VOB/A) um das rund 33-fache und von Liefer-/Dienstleistungen (§ 14 UVgO) sogar um das 100-fache erhöht. Die brandenburgische Landesregierung sieht in der Erhöhung des Schwellenwerts eine Stärkung der mittelständischen Wirtschaft und des Handwerks sowie eine Entlastung für die Kommunalverwaltung(en).[1]
Einordnung
Die geplante Reform des Vergaberechts ist Ausdruck eines legitimen Wunsches von Politik, Verwaltung und Unternehmen nach effizienteren Beschaffungsvorgängen, um für die Beteiligten personellen und finanziellen Aufwand einzusparen.
Denn die Unsicherheit bei der Anwendung von Vergabevorschriften, die Herausforderung mit der korrekten Erstellung von Angeboten oder die Ungeduld ob der Dauer von Vergabeverfahren sind mitunter groß. Der Wunsch erscheint daher nachvollziehbar, das Vergaberecht zu vereinfachen.
Vorsicht ist jedoch geboten: gerade die deutliche Anhebung von Schwellenwerten – wie etwa in Brandenburg – hebelt nämlich wesentliche Schutzmechanismen des Vergaberechts aus. So bieten gerade Direktaufträge mangels Wettbewerb keine hinreichende Garantie für die Auswahl leistungsfähiger Anbieter. Auch ist die Preisfindung für einen Bieter ohne Wettbewerber eine andere. Damit werden rechtliche (und wirtschaftliche) Probleme vom Beschaffungsvorgang in den Vertragsvollzug verlagert.
Auch gibt es bei Direktaufträgen schon jetzt ein sehr uneinheitliches Bild bei den Unterschwellenvergaben in den Ländern, wie die folgende Übersicht zeigt:
Bundesland | Dienstleistungsvergaben | Bauvergaben |
Baden-Württemberg | 100.000 € | 100.000 € |
Bayern | 100.000 € | 250.000 € |
Berlin | 1.000 € | 5.000 € |
Brandenburg | 100.000 € | 100.000 € |
Bremen | 3.000 € | 5.000 € |
Hamburg | 5.000 € | 10.000 € |
Hessen | 10.000 € | 10.000 € |
Mecklenburg-Vorpommern | 5.000 € | 10.000 € |
Niedersachsen | 20.000 € | 20.000 € |
Nordrhein-Westfalen | 1.000 € | 3.000 € |
Rheinland-Pfalz | 10.000 € | 10.000 € |
Saarland | 10.000 € | 20.000 € |
Sachsen | 500 € | 15.000 € |
Sachsen-Anhalt | 15.000 € | 20.000 € |
Schleswig-Holstein | 5.000 € | 10.000 € |
Thüringen | 30.000 € | 75.000 € |
Zudem darf nicht übersehen werden, dass das Vergaberecht gerade auch Unternehmen schützt. Insbesondere kleinen und mittleren Betrieben sichert es die Teilnahme am freien Wettbewerb und den fairen Zugang zu öffentlichen Aufträgen. Der Verzicht auf Vergabeverfahren höhlt diesen Schutz aus.
Bei Aufträgen mit einem Volumen von bis zu 100.000 € kann kaum noch von Bagatellen gesprochen werden, die einer einfachen Lösung bedürfen. Eine solche Schwelle entzieht wesentliche Beschaffungsvorgänge jeder Kontrolle, was den Risiken von Intransparenz, Korruption und Verschwendung Vorschub leisten kann.
Alternativen
Es besteht grundsätzlich weniger eine legislatives Problem, dem durch Gesetzesänderungen abgeholfen werden kann. Eine Vereinheitlichung bei den Wertgrenzen in den Bundesländern wäre zwar sicher hilfreich, da sehr viele Vergaben länderübergreifend sind. Ansonsten aber ermöglicht das bestehende Vergaberecht bereits einen kreativen Umgang mit den bestehenden Regelungen, um im Wettbewerb mit wenig Aufwand kurzfristig gute Ergebnisse zu erzielen. Beschleunigungsmaßnahmen lassen sich also bereits im bestehenden Rechtsrahmen umsetzen. Dagegen leidet unter einer kurzen Vorbereitungszeit meist die Qualität der Vergabeunterlagen und unter einer kurzen Angebotsfrist die Qualität der Angebote. Auch sieht schon die aktuelle Rechtslage vor, von den Bietern vorrangig Eigenerklärungen anstelle von Nachweisen zu verlangen. Dadurch wird den Bietern Angebotsabgabe und dem Auftraggeber die Angebotsauswertung erleichtert.
[1] Staatskanzlei Brandenburg, Pressemitteilung vom 18.03.2025, abrufbar unter: https://brandenburg.de/alias/brandenburg_06.c.864108.de