Newsletter Abfall Mai 2025

Weiterhin keine Klärung im Streit über das PPK-Mitbenutzungsentgelt

27.05.2025

Der Kostenanteil der Systeme bei der Berechnung des Mitbenutzungsentgelts „kann nach Vorgabe des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers entweder als Masseanteil oder als Volumenanteil berechnet werden“. Eindeutiger Gesetzeswortlaut? Weit gefehlt! Nach dem Verwaltungsgericht Wiesbaden führt die Zugrundelegung des Volumenfaktors durch den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger in Fallkonstellationen wie der des Rheingau-Taunus-Kreis „stets“ zu einer Verletzung des Gebührenrechts. Das kann nicht die Intention des Gesetzgebers gewesen sein.

Hintergrund der Auseinandersetzung

Die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger im Rheingau-Taunus-Kreis haben im Jahr 2020 Klage gegen die Systeme erhoben, um eine angemessene Vergütung für die Miterfassung von Verkaufsverpackungen aus PPK durchzusetzen.

Nach § 22 Abs. 4 Satz 5 2. HS VerpackG kann der Anteil der Kostentragung durch die Systeme nach Vorgabe des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers entweder als Masseanteil oder als Volumenanteil berechnet werden. Über die Frage welcher Anteil zugrunde zu legen ist, herrscht seit Jahren Streit zwischen den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern und Systemen. Je nachdem welcher Anteil zugrunde gelegt wird, unterscheidet sich die Höhe der Mitbenutzungsentgelte ganz erheblich. Der Volumenanteil ist im Vergleich zum Masseanteil etwa doppelt so hoch (ca. zwei Drittel Volumen vs. ca. ein Drittel Masse), da PPK-Verpackungen – anders als z.B. grafische Papierabfälle – eine wesentlich geringere Dichte aufweisen.  Der Volumenanteil ist angemessen, da die Verpackungen (insbesondere Kartons) deutlich voluminöser sind und daher mehr Kosten bei der Sammlung verursachen. Nach dem Gesetzeswortlaut ist auf das Volumen in den Sammelbehältnissen vor Abholung und Verpressung in den Sammelfahrzeugen abzustellen.

Anspruch der örE auf Abstimmung ja – aber nicht auf Umsetzung des Volumenfaktors

Erfreulicherweise erkennt das Verwaltungsgericht an, dass die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger einen Anspruch auf Abstimmung aus § 22 Abs. 4 Satz 1 VerpackG haben. „Aufgrund des eindeutigen Wortlauts des § 22 Abs. 4 Satz 1 VerpackG“ […] bestünden für das Gericht „keine Zweifel an der grundsätzlichen Anspruchsqualität der Rechtsnorm.“ 

Allerdings sei das geltend gemachten Entgelt nicht angemessen im Sinne des § 22 Abs. 4 Satz 1 VerpackG, da der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger den Volumenanteil nicht hätte zugrunde legen dürfen. Die Begründungen des Verwaltungsgerichts sind wenig nachvollziehbar: 

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts sei es dem Gericht „verwehrt, in den den Parteien vom Gesetz eingeräumten Freiraum einzugreifen“. Das Nichteingreifen würde auch nicht zu „schlechthin unerträglichen Folgen“ führen. Die Entsorgungssysteme könnten „rein faktisch […] regelmäßig auch dann jeweils interessengerecht betrieben werden, wenn sie nicht umfassend abgestimmt sind.“ Die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger seien „nicht verpflichtet, Entsorgungsleistungen für die Systeme zu erbringen, bevor eine entsprechende Abstimmungsvereinbarung geschlossen wurde“.

Die Auffassung des Verwaltungsgerichts ist einerseits praxisfern und widerspricht andererseits der Gesetzesbegründung. Dem Praktiker stellt sich bei Durchsicht des Urteils die Frage, wie der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger „rein faktisch“ die kommunalen PPK-Mengen ohne Miterfassung der Verpackungen sammeln soll. 

Der Gesetzgeber hat Auseinandersetzungen bei der Entgeltbemessung vorhergesehen. Daher hat er in der Gesetzesbegründung festgehalten, der Verweis auf das Gebührenrecht ermögliche „es den Gerichten im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung […], anhand der konkreten Bemessungsvorgaben des Bundesgebührengesetzes und der Allgemeinen Gebührenverordnung die Höhe eines angemessenen Entgelts zu bestimmen“.

Urteilsbegründung zur Zurückweisung des Volumenanteils nicht überzeugend

Weiterhin führt das Verwaltungsgericht aus, die Zugrundelegung des Volumenfaktors stehe bei einer massebasierten Abrechnung mit dem Entsorger in einem „auffälligen Missverhältnis“ des Entgelts zu dem „Marktwert der erbrachten Sammelleistung“. Das gelte jedenfalls dann, wenn „das Wahlrecht des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers wie hier pauschal und nicht weiter differenzierend zu Gunsten eines Volumenfaktors ausgeübt wird, der sich nach der Mengenverteilung des Sammelgemischs in den Sammelbehältern vor Verpressung im Sammelfahrzeug bemisst, die Volumen- und Masseanteile eine auffällige Diskrepanz aufweisen und zugleich der Anteil der Entgelte des Drittbeauftragten wie vorliegend eine erhebliche Kostenposition in den ermittelten Gesamtkosten darstellen.“ Über einen Schlenker in das Zivilrecht stellt das Verwaltungsgericht sogar in den Raum, ob die Vorgabe des Volumenfaktors „sittenwidrig“ ist.

Dass der Volumen- und der Masseanteil in einer „auffälligen Diskrepanz“ stehen, dürfte regelmäßig der Fall sein, da PPK-Verpackungsabfälle großvolumig aber von leichtem Gewicht sind. Auch der Anteil der Entgelte des Drittbeauftragten wird immer (wenn der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger die Sammlung nicht selbst durchführt) eine erhebliche Kostenposition in den ermittelten Gesamtkosten darstellen. Das würde bedeuten, dass der Volumenanteil – nach Auffassung des Verwaltungsgerichts – praktisch nie zugrunde gelegt werden könnte. Dem Gesetzgeber waren diese Hintergründe jedoch bekannt. Dennoch hat er den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern die Möglichkeit eröffnet, den Volumenanteil vorzugeben. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts ist mit dem Gesetzeswortlaut und der Gesetzesbegründung nicht in Einklang zu bringen!

Tipps für zukünftige Verhandlungen mit den Systemen

Es ist misslich, dass das Verwaltungsgericht über vier Jahre gebraucht hat, um zu entscheiden, dass der Volumenanteil von den Klägern nicht zugrunde gelegt werden durfte. Die Urteilsbegründung lässt den Bezug zur Entsorgungspraxis vermissen und steht im Widerspruch zum Gesetzeswortlaut und der Gesetzesbegründung. 

Die Systeme versuchen das Urteil allerdings bereits jetzt fruchtbar zu machen, um den Kostenanteil in der Anlage 7 zu drücken. GGSC ermutigt die örE, an dieser Stelle nicht nachzugeben. Es handelt sich bei der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Wiesbaden um die Entscheidung eines erstinstanzlichen Gerichts in einem Bundesland, die (noch) nicht rechtskräftig ist. Sie kann daher nicht als Maßgabe für die bundesweiten Verhandlungen dienen. Zudem: Wenn dem Urteil aus Sicht der Systembetreiber rechtlich überhaupt etwas entnommen werden kann, dann nur die Behauptung, dass der Volumenfaktor nicht zugrunde gelegt werden könne. Die Berücksichtigung eines Mischfaktors nennt das Verwaltungsgericht jedoch auch hier als mögliche Alternative. Daher gibt selbst diese erstinstanzliche Entscheidung des Verwaltungsgerichts keinen Anlass dazu, einen Kostenfaktor zu vereinbaren, der wesentlich unter 50 % liegt.

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