Newsletter Abfall September 2020

Anordnung einer Getrennterfassung von Bioabfällen rechtmäßig

Der Streit um die Pflicht des Landkreises Altötting, für die in seiner Entsorgungszuständigkeit stehenden Bioabfälle eine Getrennterfassung nach § 11 Abs. 1 KrWG einzuführen, ist beendet.

Zunächst hatte der Kreis gegen die behördliche Anordnung einer Getrennterfassung für diese Bioabfälle geklagt. Das Verwaltungsgericht (VG) München hatte die Klage abgewiesen (Urteil v. 28.11.2019, Az.: M 17 K 17.5282). In seinem Urteil ist es von der Rechtmäßigkeit des Anordnungsbescheids ausgegangen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung gegen das Urteil des VG München als unzulässig verworfen. Der Landkreis hat daraufhin erkennen lassen, dass er nunmehr die Pflichten aus dem Bescheid umsetzen will – aller Voraussicht nach durch Einführung eines Bringsystems für Bioabfälle.

Landkreis will jetzt getrennte Erfassung von Bioabfällen umsetzen

Einen dahingehenden Vorschlag der Verwaltung hatte der Kreistag im von der Behörde beanstandeten Beschluss gerade abgelehnt. Er war davon ausgegangen, dass es für die Erfüllung der Pflichten aus § 11 Abs. 1 KrWG (Pflicht zur Getrennterfassung von Bioabfällen) ausreicht, wenn, wie im Landkreis 85 % der Bioabfälle (nämlich Grünschnitt) bereits getrennt erfasst und gesondert verwertet werden. Insoweit bestand die Besonderheit, dass der Kreis genau die Aufgabe der Grünschnitterfassung und –verwertung auf die kreisangehörigen Gemeinden zurückübertragen hatte. Für diese Abfälle hatten die Gemeinden nicht nur eine getrennte Erfassung, sondern auch eine hochwertige Verwertung eingerichtet.

Pflicht zur Getrennterfassung auch für die restlichen 15 % Bioabfälle

Überdies hatte sich der Landkreis auf die wirtschaftliche Unzumutbarkeit der Einrichtung einer Getrennterfassung im Holsystem bezogen: Er hatte mit einer Verdoppelung der Gebührenbelastung errechnet, gleichzeitig aber nur eine sehr geringe Umweltentlastung ausmachen können (Differenz zu einem ermittelten Ökologie-Index von ca. 9 bis 16 %). Die Einführung eines Bringsystems hielt er für unzulässig, weil dies faktisch einem teilweisen Ausschluss von der Entsorgungspflicht (bezogen auf die Erfassungsleistungen) gleichkomme. Zur Begründung bezog er sich auf ein Urteil des BVerwG vom 27.07.1995 (7 NB 1.95).

Bringsystem zieht keinen „faktischen Ausschluss“ nach sich

Die Einschätzung wurde vom Verwaltungsgericht München nicht geteilt. Es verwies bezogen auf das Bringsystem darauf, dass jedem Abfallerzeuger und –besitzer auch Mitwirkungspflichten auferlegt werden könnten. Eine besonders dünne Besiedelung konnte das VG auch nicht erkennen, vielmehr lägen die Zahlen mit 191 Einwohnern pro km2 über dem bayerischen Durchschnitt von 183 Einwohnern pro km2.

Auch den Einwänden des Kreises gegen die ordnungsgemäße und schadlose Verwertung, vor allem bei der Ausbringung von Gärresten (v.a. Störstoffe aus Plastik) konnte sich das VG nicht anschließen. Insoweit hatte die Fachbehörde dargelegt, dass der Eintrag äußerst gering ausfalle.

Keine wirtschaftliche Unzumutbarkeit bei Verdoppelung der Gebührenbelastung?

Und selbst bei der Verdoppelung der Gebührenbelastung hielt das VG die Grenze der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit nicht „automatisch“ für erreicht: Vielmehr ging es unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung davon aus, dass die Einführung einer Getrennterfassung von Bioabfällen in aller Regel zu einer deutlichen Kostensteigerung führt. Dabei mag auch eine Rolle gespielt haben, dass die Gebühr im Jahr 2015 infolge des Abschmelzens einer Gebührenrücklage deutlich abgesenkt worden war.

Zusammenfassend ist für alle Kommunen, die im Austausch mit Behörden über die Einführung der Getrennterfassung für (auch einzelne Stoffströme) von Bioabfällen stehen, Vorsicht geboten: Das bisher erste und einzige Urteil zum Thema streitet nicht für die Gegner der getrennten Bioabfallerfassung. Ein Bringsystem erachtete das VG aber offenbar als ausreichend.

[GGSC] berät zahlreiche Entsorgungsträger bei der Ausgestaltung ihrer Abfallentsorgung – auch bezogen auf den Umgang mit Bioabfällen.

Weitere Artikel des Newsletters

Wie ist die Irrelevanzschwelle zu berechnen und wann bestehen gegen einen Sammler Bedenken gegen die Zuverlässigkeit? Diese beiden Fragen stehen im Zentrum der nun vorliegenden Urteilsgründe der Revision, die [GGSC] für eine bayerische Kommune eingelegt und vertreten hatte (vgl. bereits Abfall Newsl...
weiter
In der Juli-Ausgabe unseres Newsletters hatten wir die Praxisprobleme allgemein im Umgang mit wassergefährdenden Stoffen in der Abfallbewirtschaftung beleuchtet. Im vorliegenden Beitrag befassen wir uns näher mit den Problemen bei der Einstufung von Abfällen (Abfall Newsletter Juli 2020).
weiter
Die sogenannte „EU-Plastiksteuer“ soll ab 2021 eine neue Bemessungsgrundlage für Beiträge der EU-Mitgliedstaaten zur Finanzierung der EU sein. Offen ist, ob und wie sie auf nationaler Ebene zu einer Bepreisung von Kunststoffabfällen führen wird.
weiter
Schmale Straßen und Wege ohne Wendemöglichkeit stellen immer wieder eine Herausforderung an die Organisation der Abfallabfuhr. Im Einzelfall bietet sich die Bereitstellung der Abfallbehälter an einem abweichenden Standplatz an. Für entsprechende Anordnungen gegenüber den Abfallbesitzern bedarf es ei...
weiter
Am 10.09.2020 findet ein Online-Seminar zu Straßenreinigungsgebühren statt. Rechtsanwältin Katrin Jänicke und Rechtsanwalt Dr. Manuel Schwind von [GGSC] stellen die rechtlichen Grundlagen und die aktuelle Rechtsprechung zu der Erhebung von Straßenreinigungsgebühren dar.
weiter

Veranstaltungen

2023
28
Sep

Am 1. August 2023 tritt die sogenannte „Mantelverordnung“ in Kraft – mit der neuen Ersatzbaustoffverordnung (EBV), der vollständig novellierten Bundes-Bodenschutzverordnung (BBodSchV) und Änderungen im Deponierecht. Das Seminar richtet sich an alle, die mit mineralischen Abfällen – wie Bauschut...

ORT: Online-Seminar
VERANSTALTER: [GGSC] Seminare
Zur Website der Veranstaltung
2023
14 15
Sep

Wer in der Stadteinigung tätig ist, weiß um die Vielfältigkeit der Aufgabe. Die Anforderungen an die Wirtschaftlichkeit nehmen zu. Politik, Handel und Bürger fordern mehr Sauberkeit und gleichzeitig Gebührensenkungen. Weil die Betriebe zunehmend unter Leistungsdruck stehen, benötigt die Stadtsauberk...

ORT: Präsenzveranstaltung - Ort siehe Programm
Zur Website der Veranstaltung
2023
14
Sep

Abstimmungsvereinbarungen bedürfen immer wieder der Erneuerung – und der Optimierung. Auch zum Jahresende 2023 laufen an vielen Orten Abstimmungsvereinbarungen aus oder werden gekündigt. Kommunen werden im Weiteren über neue gemeinsame Vertreter informiert, die künftig Verhandlungspartner sein werde...

ORT: Online-Seminar
VERANSTALTER: [GGSC] Seminare
Zur Website der Veranstaltung
2023
25
Apr
Abfall Vergabe Kommunal

Entsorgungsvergaben 2023

Praktiker werden derzeit nicht nur durch vergaberechtliche Formalien und materielle Grundsätze beansprucht, sondern vor allem durch ein schwieriges Marktumfeld einerseits und die Coronakrise sowie den Ukraine-Krieg andererseits herausgefordert. Dies betrifft bei Entsorgungsvergaben vor allem den Sek...

ORT: Online-Seminar
VERANSTALTER: Akademie Obladen
Zur Website der Veranstaltung
2023
20
Apr
Abfall Kommunal

Update Abfallgebühren

Aktuelle Urteile der Rechtsprechung mit Tragweite. Auswirkungen steigender Kraftstoffpreise. Update mit den wichtigsten Entwicklungen. Erfahrungsaustausch Gebührenpraxis.

ORT: Online-Seminar
Zur Website der Veranstaltung
2023
28 29
Mär

Mit dem zweiten Gesetz zur Änderung des Brennstoffemissionshandelsgesetzes (BEHG) hat der Gesetzgeber beschlossen, die Müllverbrennung ab 2024 in den nationalen Emissionshandel einzubeziehen. Bereits in diesem Jahr müssen die Unternehmen der Abfallwirtschaft nun entsprechende Überwachungspläne erste...

ORT: Online-Seminar
Zur Website der Veranstaltung
2023
15
Mär
Abfall Kommunal

Einwegkunststofffonds

Der Einwegkunststofffonds nimmt die Hersteller bestimmter Einwegkunststoffprodukte finanziell in die Pflicht. Sie müssen sich künftig an den Kosten des Littering, der Behandlung der Abfallprodukte und an Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit beteiligen. Das Einwegkunststofffondsgesetz soll zum 01.01.2...

ORT: Online-Seminar
Zur Website der Veranstaltung
2023
14
Mär

Die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger erheben für die Leistungen der Abfallentsorgung Gebühren, die regelmäßig Gegenstand verwaltungsgerichtlicher Überprüfung sind. Das Seminar hat das Ziel auf der Grundlage der aktuellen Rechtsprechung Hinweise zu der gerichtsfesten Ausgestaltung der Abfallg...

ORT: Online-Seminar
Zur Website der Veranstaltung