Auftragsbezug von Zuschlagskriterien
Zuschlagskriterien müssen nicht nur abstrakt eine Verbindung zum Auftragsgegenstand aufweisen, sie müssen auch Gegenstände betreffen, die sich in der späteren Ausführung des Auftrags auswirken. Das Bayrische Oberste Landesgericht (BayObLG) hat zuletzt im Dezember 2024 einen solchen Auftragsbezug bei Zuschlagskriterien verneint, die ausschließlich die Leistungsfähigkeit des Bieters und die theoretische Fähigkeit, die Vorgaben der Leistungsbeschreibung zu erfüllen, betreffen, sofern sie keine Relevanz für die spätere Auftragsdurchführung vorweisen können.
Erforderlicher Auftragsbezug und Transparenz von Zuschlagskriterien
Ein Auftragsbezug ist nach § 127 Abs. 3 GWB in Bezug auf alle (qualitativen) Wertungs- oder Zuschlagskriterien erforderlich. Wird sich im Rahmen der Zuschlagskriterien auf die Bewertung von geforderten Konzepten für die Auftragsausführung bezogen, dürfen diese nicht lediglich die Eignung des Bieters bewerten, ohne die konkret zu erbringende Leistung zu beeinflussen.
Im vom BayObLG entschiedenen Fall (Beschluss vom 11.12.2024, Az.: Verg 7/24 e) sollte in einer Ausschreibung von Catering-Dienstleistungen mit dem Angebot ein Beispielsspeiseplan eingereicht werden, der einer qualitativen Bewertung (Regionalität und Bioanteil, etc.) unterzogen wurde. Neben dem Angebotspreis sollte diese Bewertung zu 50 % in der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots berücksichtigt werden. Im Rahmen der Auftragsausführung bestand aber keinerlei Bindung an den Beispielsspeiseplan.
Das BayOblG stellt hierzu klar, dass ein Auftragsbezug fehlt, wenn im Angebot abstrakte Übungsaufgaben zu lösen sind, aus denen sich kein verbindlicher Rahmen für die spätere Leistungserbringung ableiten lässt. Eine ausreichende Verbindung zum Auftragsgegenstand liegt hingegen vor, wenn ein Muster des konkret zu liefernden Produkts präsentiert werden soll oder im Rahmen einer wertenden „Teststellung“ ein noch in der Entwicklung befindliches Produkt getestet und bewertet werden soll.
Ergänzend ist zudem stets darauf zu achten, dass die Anforderungen an den Inhalt der einzureichenden Konzepte hinreichend klar formuliert werden. Erforderlich ist hierbei, dass aus Sicht eines vernünftigen durchschnittlichen Bieters bei Anwendung der üblichen Sorgfalt hinreichend sicher zu erkennen ist, welche Vorgaben die einzureichenden Konzepte zu erfüllen haben.
Erkennbarkeit eines Vergabeverstoßes für den Bieter
Die Entscheidung des BayObLG ist dabei auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht für öffentliche Auftraggeber interessant. Hinsichtlich der in § 160 GWB geregelten Rügeobliegenheit des Bieters verweist das BayObLG auf die restriktive Auslegung der Präklusionsregelung und die Anwendung eines objektiven Maßstabs hinsichtlich der Erkennbarkeit eines Verstoßes gegen Vergabevorschriften für den Bieter. Der Auftraggeber könne sich hierbei nicht darauf berufen, dass der Bieter aufgrund eines ähnlich gelagerten, anderen Vergabeverfahrens bereits über rechtliches Spezialwissen verfüge. Bei der Beurteilung der Erkennbarkeit des Vergaberechtsverstoßes ist vielmehr auf den durchschnittlich fachkundigen Bieter und dessen laienhafte und durch vernünftige Beurteilung hervorgebrachte rechtliche Wertung abzustellen. Positive Kenntnis des Bieters vom Rechtsverstoß ist daher häufig erst nach anwaltlicher Beratung zu bejahen. Den Bietern wird eine solche Kenntnis regelmäßig nicht nachzuweisen sein.
[GGSC] berät öffentliche Auftraggeber regelmäßig bei der rechtssicheren Festlegung von Zuschlagskriterien und bei Auseinandersetzungen vor Nachprüfungsinstanzen.
Co-Autorin: Rechtsanwältin Ella Bergel
