Vergaberecht im Koalitionsvertrag
Auch die mutmaßlich nächste Bundesregierung möchte das Vergaberecht ändern. Dies geht aus dem Koalitionsvertrag von CDU und SPD hervor, der nun vorliegt.
Vereinfachen und Beschleunigen
Unter dieser Überschrift können sich fast alle Beteiligten versammeln. Doch die Umsetzung ist spannend. Die Koalitionäre wollen „das Vergaberecht auf das Ziel einer wirtschaftlichen, diskrimierungs- und korruptionsfreien Beschaffung zurückführen“. Das positiv formulierte Ziel heißt letztlich: Beschränkung der weiteren Zuschlagskriterien und Anforderungen an die Leistungserbringung. In der sozialen und ökologischen Ausgestaltung der Beschaffung liegt allerdings gerade ein Bereich, bei der Auftraggeber eine faire und nachhaltige Leistungserbringung politisch ausgestalten können. Soll also ausschließlich die Wirtschaftlichkeit maßgeblich sein?
Ein zweiter Blick lohnt auch bei dem Vorhaben, künftig weiterhin den „Grundsatz der mittelstandsfreundlichen Vergabe“ hochzuhalten. Die Betonung des Grundsatzes lässt Jurist:innen aufhorchen, da die Ausnahme meist nicht weit ist. Spannend daher auch hier die Umsetzung: wird ausgehend von diesem Grundsatz das Gebot der Losbildung eingeschränkt? Nicht nur hier wird das europäische Recht möglicherweise Grenzen setzen, das bekanntlich im Oberschwellenbereich den Rahmen setzt und eine Losbildung vorsieht.
Verlockend klingt sodann die Heraufsetzung von Wertgrenzen bei der Unterschwellenvergabe. Natürlich lassen sich Vergabeverfahren beschleunigen, wenn ein Auftraggeber nur noch drei – oder gar nur einen – Wettbewerber zur Angebotsabgabe auffordern muss. Aber zeigt nicht die Praxiserfahrung, dass gerade ein offener Wettbewerb Garant der Wirtschaftlichkeit der Beschaffung ist, und auch Korruption verhindert?
Und werden sich die Länder alle beteiligen, wenn der Bund eine Vereinheitlichung der Vergaberegelungen im Unterschwellenbereich anstrebt? Länder setzen bekanntlich gerne politische „Duftmarken“, auch außerhalb von Bayern.
Und steht dazu im Widerspruch, wenn Länder – wie aktuell in NRW – überlegen, das Vergaberecht faktisch zum Gegenstand des kommunalen Satzungsrechts zu machen?
Angriff auf den Rechtsschutz
„Wir werden die Vergabe öffentlicher Aufträge beschleunigen, indem die aufschiebende Wirkung der Rechtsmittel gegen Entscheidungen der Vergabekammern zu den Oberlandesgerichten entfällt“. Mit einer Änderung des § 173 Abs. 1 Satz 1 GWB droht nicht nur Symbolpolitik – angesichts vergleichsweise weniger Fälle, die im Vergaberecht in die zweite Instanz gehen. Übersetzt bedeutet ein solches Vorhaben: faktische Abschaffung des Rechtsschutzes. Denn was ist ein Rechtsschutz noch wert, der nach Zuschlagserteilung erfolgt und nur noch für Schadensersatzforderungen relevant sein kann? Viel dringlicher und praxisorientierter wäre hier eine deutliche Verbesserung der personellen und finanziellen Ausstattung der Vergabekammern im gesamten Bundesgebiet (es muss ja nicht gleich ein Sondervermögen sein). Denn wirklich bremst die lange Verfahrensdauer: der Grundsatz, dass ein Nachprüfungsverfahren binnen 5 Wochen entschieden ist, ist in der Praxis die offensichtliche Ausnahme, eine Verfahrensdauer von bis zu einem Jahr mittlerweile keine Seltenheit mehr.
Die Koalition wird also noch einmal nachsitzen müssen, um das Vergaberecht wirklich zu verbessern und Verfahren auch in der Praxis zu vereinfachen und zu beschleunigen.