Newsletter Abfall März 2022

OVG Greifswald: Grundsätzliches zur Erhebung von Abfallgebühren in Mecklenburg-Vorpommern

Das OVG Greifswald hat einen gegen die Abfallgebührensatzung des Landkreises Vorpommern-Rügen gerichteten Normenkontrollantrag mit Urteil vom 26.10.2021 (Az.: 3 K 441/16) zurückgewiesen und deren Rechtmäßigkeit bestätigt (wir berichteten). Die nunmehr vorliegende Urteilsbegründung nehmen wir zum Anlass, die vom Oberverwaltungsgericht getroffenen Feststellungen nochmals im Einzelnen darzustellen.

Ausgangslage

Infolge einer Kreisgebietsreform hatte der von [GGSC] vertretene Landkreis die Abfallentsorgungseinrichtungen aus drei Altkreisen in einer öffentlichen Einrichtung zusammengefasst. Neue Entsorgungsverträge wurden (nach Durchführung europaweiter Vergabeverfahren) mit Drittbeauftragten abgeschlossen und die Abfallgebühren auf dieser Grundlage neu kalkuliert. Die mit der Normenkontrolle angegriffene Abfallgebührensatzung trat zum 01.01.2016 in Kraft.

Bemessung von Grund- und Leistungsgebühren

Dass der Landkreis Abfallgebühren in Form von verbrauchsunabhängigen Grund- und verbrauchsabhängigen Leistungsgebühren erhebt, ist dem OVG Greifswald zufolge ebenso wenig zu beanstanden wie der Anteil der in die Grundgebühr einbezogenen gebührenfähigen Gesamtkosten i.H.v. ungefähr 10 %. Das Oberverwaltungsgericht bestätigte auch, dass für die Bemessung der Grundgebühr – neben Wohnhaushalten – auch Ferienwohnungen berücksichtigt werden, wenn sich dies (so wie hier der Fall) eindeutig aus der Satzung ergibt und die konkrete Maßstabsregelung hinreichend bestimmt ist. Anders als eine degressive Staffelung von Leistungsgebühren verstoße eine lineare Staffelung nicht gegen die Vorgaben des Abfallwirtschafts- bzw. Kommunalabgabengesetzes des Landes Mecklenburg-Vorpommern.

Bioabfall: Querfinanzierung und Eigenkompostiererabschlag

Dass der Landkreis eine Einheitsgebühr erhebt und die Kosten der Bioabfallverwertung über die Erhebung von Gebühren für die Restabfallentsorgung querfinanziert, hat das Oberverwaltungsgericht nicht beanstandet. Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz und das Äquivalenzprinzip liege nicht vor; vielmehr würden hierdurch Anreize zur Getrennthaltung von Abfällen geschaffen. Dass nach der Lebenserfahrung in allen Haushalten, in denen Restmüll anfällt, auch wiederverwertbare Altstoffe und sonstige Müllfraktionen in etwa gleichem Verhältnis anfallen, rechtfertige die pauschale Mitabgeltung der Kosten.

Auch die vom Landkreis gewährte Gebührenermäßigung für Eigenkompostierer i.H.v. 10 % hat das OVG Greifswald mit Blick auf die abfallwirtschaftlichen Lenkungsziele für zulässig befunden: Sie sei einerseits mit dem Ziel der verbesserten Abfallverwertung zu vereinbaren und führe andererseits zu einer spürbaren Entlastung eigenkompostierender Gebührenschuldner. In die Entscheidung über die Höhe des Abschlages dürfe das Risiko mit einbezogen worden, dass im Falle eines zu hohen Gebührenvorteils vermehrt von der Möglichkeit der Befreiung vom Biotonnen-Nutzungszwang Gebrauch gemacht und Bioabfall stattdessen über die Restmülltonne entsorgt werde.

Weites Organisationsermessen des örE

Das weite Organisationsermessen des örE umfasst dem Oberverwaltungsgericht zufolge auch die Entscheidung zur Anpassung und Vereinheitlichung des Gebührensystems. Es entspreche der Regel, dass die abfallrechtlichen Aufgaben der Abfallbeseitigung mittels einer technisch, wirtschaftlich und rechtlich einheitlichen öffentlichen Einrichtung erfüllt werden. Bedenken ergeben sich insofern auch nicht aus der Tatsache, dass es infolge der Kreisgebietsreform zu teilweise erheblichen Gebührensteigerungen gekommen ist. Solange die in der Kalkulation angesetzten Fremdleistungsentgelte auf ordnungsgemäß durchgeführten Vergabeverfahren beruhen, sind diese angemessen und erforderlich. Auch sei der Landkreis nicht verpflichtet gewesen, im Vorfeld der Auftragsvergabe zunächst zu prüfen, ob die Aufgabenerledigung ohne Fremdvergabe – etwa durch einen Eigenbetrieb – kostengünstiger erfolgen könnte.

Das OVG Greifswald hat mit dem hier besprochenen Urteil in erfreulicher Klarheit Leitlinien für die Erhebung von Abfallgebühren in Mecklenburg-Vorpommern aufgestellt. Die beiläufig (in einem sog. obiter dictum) geäußerte Rechtsauffassung, dass Leistungsgebühren im Bereich Abfallwirtschaft nicht degressiv gestaffelt werden dürften, ist dagegen neu und mit der Begründung – ein degressiver Gebührenverlauf konterkariere die Schaffung von Vermeidungsanreizen – kritisch zu bewerten.

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