Vergabebeschleunigungsgesetz: Bundesrat fordert Nachbesserungen – Bundesregierung bleibt bei ihrem Kurs
Am 06.08.2025 hat die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung der Vergabe öffentlicher Aufträge („Vergabebeschleunigungsgesetz“) beschlossen. Im Anschluss an den Kabinettsbeschluss wurde der Gesetzentwurf am 15.08.2025 dem Bundesrat zur Stellungnahme zugeleitet. Die erste Beratung im Bundesrat fand am 26.09.2025 statt, bevor der Entwurf am 9.10.2025 in erster Lesung im Bundestag beraten wurde.
Stellungnahme des Bundesrates
Die zentralen Aspekte der Stellungnahme des Bundesrats sind folgende:
- Der Bundesrat kritisiert die im Gesetzentwurf vorgesehene Neuregelung des § 97 Abs. 4 GWB als Rückschritt gegenüber dem früheren Entwurf des Vergabetransformationspakets. Die vorgeschlagenen Regelungen seien nicht ausreichend, um aktuelle Herausforderungen im Infrastrukturbereich zu bewältigen und öffentliche Bauvorhaben zu beschleunigen.
Er setzt sich daher für weitergehende Ausnahmen vom Losgrundsatz ein. Konkret soll eine Zusammenfassung von Teil- oder Fachlosen möglich sein, wenn wirtschaftliche, technische oder zeitliche Gründe dies rechtfertigen – nicht nur, wie im Regierungsentwurf vorgesehen, wenn sie es erfordern. Dies würde die Hürden für Ausnahmen deutlich senken und zu mehr Flexibilität führen. Zudem soll die zeitliche Begründung nicht auf Vorhaben des Sondervermögens Infrastruktur und Klimaschutz beschränkt bleiben.
Der Bundesrat hält am Grundsatz fest, dass Ausnahmen vom Losprinzip begründet werden müssen, sieht jedoch in der Formulierung „rechtfertigen“ eine praxistauglichere und unbürokratischere Lösung mit größerem Beschleunigungspotenzial. Er knüpft damit an den ursprünglichen Referentenentwurf des BMWE sowie an den Wortlaut des früheren Vergabetransformationsgesetzes an, die bereits vergleichbare Regelungen vorsahen.
Der Bundesrat schlägt die Einführung eines neuen § 97 Abs. 4a GWB vor, wonach bei der Vergabe öffentlicher Bauaufträge für Einrichtungen des Zivil-, Katastrophen- und Brandschutzes der Losgrundsatz – analog zu den geplanten Regelungen im Bundeswehrplanungs- und Beschaffungsbeschleunigungsgesetz (BwPBBG) – weitgehend unanwendbar sein soll. Dies soll sowohl für den ober- als auch für den unterschwelligen Bereich gelten.
Hintergrund des Vorschlags ist die veränderte Sicherheitslage, die neben militärischer Verteidigung auch den Aufbau robuster ziviler Schutzstrukturen erforderlich macht. Aufgrund des hohen Bau- und Beschaffungsbedarfs soll die Ausnahmeregelung gezielt auf Bauleistungen beschränkt bleiben, da hier laut Bundesrat der größte Nutzen einer vergaberechtlichen Erleichterung zu erwarten ist.
Der Bundesrat kritisiert in seiner Stellungnahme die im Gesetzentwurf vorgesehenen Einschränkungen des Rechtsschutzes für unterlegene Bieter. Insbesondere beanstandet er die geplanten Regelungen zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, zu Einzelentscheidungen durch Mitglieder der Vergabekammer sowie den Wegfall der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde. Diese Maßnahmen führen nach Ansicht des Bundesrates zu einer erheblichen Schwächung des effektiven Primärrechtsschutzes und verweisen Bieter faktisch auf nachgelagerten Schadensersatz, der keinen gleichwertigen Ersatz darstellt.
Zudem weist der Bundesrat auf einen inneren Widerspruch im Gesetzentwurf hin: Während einerseits die vergaberechtliche Funktion der Vergabekammern als gerichtsgleiche Instanz betont wird, nähert man sich mit Verfahrensregeln wie Entscheidungen nach Aktenlage dem Verwaltungsverfahren an.
Angesichts dessen fordert der Bundesrat, einzelne Einschränkungen zu überdenken. So schlägt er unter anderem vor, die Möglichkeit zur Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde in § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB klar als Ausnahme auszugestalten. Außerdem regt er an, für Einzelentscheidungen in der Vergabekammer die gesetzliche Voraussetzung der Befähigung zum Richteramt einzuführen.
- Vor dem Hintergrund der fortschreitenden Digitalisierung fordert der Bundesrat, die Vergabemöglichkeiten für Leistungen im Bereich der Cyber- und Informationssicherheit deutlich zu verbessern. Er kritisiert, dass das geltende Vergaberecht bislang vor allem Ausnahmen für militärische Beschaffungen vorsieht, nicht jedoch für cybersicherheitsspezifische Bedarfe.
Zur Stärkung der staatlichen Krisenresilienz und des Schutzniveaus der Behörden regt der Bundesrat an, die Verordnungsermächtigung in § 113 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 GWB um Regelungsbefugnisse für den Bereich Cybersicherheit zu erweitern – insbesondere zu Geheimschutz, Vertraulichkeit, Versorgungssicherheit und Unteraufträgen. Darüber hinaus soll der Anwendungsbereich der VSVgV in § 1 und § 2 Abs. 1–3 ausdrücklich auf Aufträge mit Bezug zur Cybersicherheit ausgeweitet werden.
Bundesregierung stellt sich gegen den Bundesrat
Die Änderungsvorschläge des Bundesrates wurden von der Bundesregierung – siehe BT-Drucksache 21/1934 – größtenteils zurückgewiesen
So lehnt die Bundesregierung den Vorschlag des Bundesrates zur weiteren Flexibilisierung des Losgrundsatzes ab. Sie verweist darauf, dass eine Ausweitung der Ausnahmetatbestände in § 97 Abs. 4 Satz 3 GWB dem Grundsatz der mittelstandsfreundlichen Vergabe widerspreche und aus mittelstandspolitischen Gründen daher nicht vertretbar sei. Zwar unterstütze sie das Ziel, Vergabeverfahren zu beschleunigen und zu vereinfachen, halte jedoch weiterhin am Prinzip der Losvergabe fest.
Auch den Vorschlag des Bundesrates, die im BwPBBG vorgesehene Unanwendbarkeit des Losgrundsatzes auch auf Bauaufträge im Zivil-, Katastrophen- und Brandschutz zu übertragen, lehnt die Bundesregierung ab. Sier erkennt zwar die Bedeutung dieser Bereiche ausdrücklich an, betont jedoch, dass Ausnahmen vom Losgrundsatz stets im Lichte der mittelstandsfreundlichen Vergabe sorgfältig abzuwägen seien. Stattdessen verweist sie auf die im Gesetzentwurf vorgesehene temporäre Ausnahme in § 117 Abs. 2 GWB für verteidigungs- oder sicherheitsspezifische Aufträge bis Ende 2030. Diese soll es den Sicherheitsbehörden ermöglichen, ihren gestiegenen Bedarf zügig und flexibel zu decken.
Was das Nachprüfungsverfahren angeht, weist die Bundesregierung die Forderung des Bundesrates zurück, einzelne Beschränkungen des Primärrechtsschutzes im Vergabebeschleunigungsgesetz wieder zurückzunehmen. Sie bekräftigt, dass die Beschleunigung und Vereinfachung von Vergabeverfahren hohe Priorität habe und hält daher insbesondere am Wegfall der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde fest – wie bereits im Koalitionsvertrag vereinbart. Zur Begründung verweist sie auf lange Verfahrensdauern, die Investitionen verzögern könnten. Der Sekundärrechtsschutz biete aus Sicht der Bundesregierung einen ausreichenden Ausgleich für unterlegene Bieter. Zudem wird an weiteren Regelungen festgehalten, wie etwa die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung und der flexiblen Besetzung der Vergabekammern, um Effizienz und Verfahrenssicherheit zu gewährleisten.
Schließlich sieht die Bundesregierung keinen Bedarf für die vom Bundesrat vorgeschlagenen Ergänzungen zu cybersicherheitsspezifischen Erfordernissen. Sie lehnt eine Erweiterung des Anwendungsbereichs der VSVgV sowie eine Änderung der Definition verteidigungs- und sicherheitsspezifischer Aufträge ab. Eine solche Anpassung würde gegen unionsrechtliche Vorgaben verstoßen, da die Verteidigungsvergaberichtlinie 2009/81/EG „cybersicherheitsspezifische Aufträge“ nicht vorsieht. Dennoch betont die Bundesregierung die Bedeutung von Cyber- und Informationssicherheit, hält jedoch keine gesonderte Regelung für erforderlich, da entsprechende Aufträge bereits unter die bestehenden sicherheitsspezifischen Regelungen des § 104 GWB fallen würden.
Was kommt als Nächstes?
Die erste Lesung des Gesetzentwurfes (BT-Drucksache 21/1934) fand im Bundestag am 9.10.2025 statt (Plenarprotokoll 21/31). Anschließend wurde er zur weiteren Beratung an die Ausschüsse überwiesen. Die Federführung liegt beim Ausschuss für Wirtschaft und Energie.