Newsletter Vergabe Oktober 2025

Ausschreibung der Erstellung eines Vertragsentwurfes ist unerlaubte Rechtsdienstleistung

28.10.2025

Eine Gemeinde schrieb Beratungsleistungen für die Vergabe von Planungs- und Bauleistungen für den Neubau des Rathauses aus. Die Ausschreibung verstieß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) und war damit wettbewerbswidrig (LG Osnabrück, Beschl. v. 11.09.2025 – 10 O 2216/25).

Ausgangslage

Die Ausschreibung umfasste unter anderem das Zurverfügungstellen eines Vertragsentwurfes. Die Befugnis zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen war nicht nachzuweisen. Eine auf Vergaberecht spezialisierte Kanzlei monierte die Ausschreibung als wettbewerbswidrig und beantragte den Erlass einer einstweiligen Unterlassungsverfügung. Die Gemeinde solle es unterlassen, Personen, die über keine Zulassung zur Anwaltschaft verfügen, aufzufordern, die Leistung „Zurverfügungstellung eines Vertragsentwurfes“ zu erbringen bzw. anzubieten.

Anknüpfungspunkt: wettbewerblicher Unterlassungsanspruch

Nach §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1, 3a Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer gegen eine gesetzliche Vorschrift verstößt, die auch dazu bestimmt ist, den Markt zu regeln. Hier erkannte das Gericht einen Verstoß gegen die Marktverhaltensvorschrift des § 3 Abs. 1 RDG. Danach ist die Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen unzulässig, soweit sie nicht erlaubt wird. Darunter fällt nach Auffassung des Gerichts auch die (vorgelagerte) Aufforderung, Angebote über die Erbringung unerlaubter Rechtsdienstleistungen abzugeben.

Unerlaubte Rechtsdienstleistung

Im vorliegenden Fall hat die Gemeinde mit ihrer Ausschreibung eine solche Aufforderung zur Angebotsabgabe getätigt. Beim Zurverfügungstellen eines Vertragsentwurfes handelt es sich um eine Rechtsdienstleistung i. S. v. § 2 Abs. 1 RDG. Denn das Ausarbeiten von Verträgen erfordert eine Prüfung im konkreten Einzelfall, ob die Regelung der Interessenlage der Beteiligten entspricht (vgl. auch BGH, Urteil v. 09.11.2023 - VII ZR 190/22, wonach ein Architekt keine selbst entworfene Skontoklausel bereitstellen darf). Diese Rechtsdienstleitung war auch nicht, insbesondere nicht nach § 5 Abs. 1 RDG erlaubt. Danach sind Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit erlaubt, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören. Das Gericht stellte fest, dass ein Großteil der ausgeschriebenen Beratungsleistungen nur auf eine fachliche Beratung ausgerichtet war. Gerade bei der Zurverfügungstellung eines Vertragsentwurfs handelt es sich aber um eine typische Rechtsdienstleistung, die auch nicht nur eine Nebenleistung darstellt, die zum Berufs- oder Tätigkeitsbild (eines Architekten) gehört. Für diese Leistung hätte die Gemeinde eine Befugnis zur Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen fordern müssen.

Andere Entscheidungen zum Thema

Auch das LG Gießen hat entschieden, dass eine umfängliche Beauftragung von Leistungen der Vorbereitung und Durchführung von Vergabeverfahren an Externe als Beauftragung einer Rechtsdienstleistung zu qualifizieren ist, die dem Anwaltsvorbehalt unterliegt (LG Gießen, Beschl. v. 21.03.2025 - 3 O 95/25).

Das OLG Düsseldorf hingegen fasst den Erlaubnistatbestand aus § 5 Abs. 1 RDG weiter. Es hat entschieden, dass die im Leistungsumfang „weitgehend selbstständige Vorbereitung und Durchführung von Ausschreibungen“ enthaltenen Rechtsdienstleistungen gemäß § 5 Abs. 1 RDG erlaubt sein sollen  als Rechtsdienstleistungen, die im Zusammenhang mit der Haupttätigkeit eines „Beschaffungsdienstleisters“ stehen. Zugleich handelt es sich um bloße Nebentätigkeiten, da die rechtsberatende Tätigkeit die Leistung nicht insgesamt prägt (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.05.2022 – VII-Verg 33/21). Dieser Fall unterscheidet sich von dem des LG Osnabrück allerdings insoweit, als dass Leistungsgegenstand nicht auch das Zurverfügungstellen eines Vertragsentwurfes war. Es sollten im Wesentlichen vom Auftraggeber bereitgestellte Vergabeunterlagen verwendet werden.

[GGSC] hilft öffentlichen Auftraggebern, ihre Ausschreibungen rechtskonform zu gestalten.

Weitere Artikel des Newsletters

Am 22. Oktober wurden in den Verordnungen der Europäischen Union (EU) 2025/2150, 2025/2151, 2023/2497 und 2025/2512 die neuen Schwellenwerte für EU-Vergaben ab dem 01.01.2026 bis zum 31.12.2027 veröffentlicht. Diese wurden im Vergleich zum letzten 2-Jahres-Zeitraum tatsächlich größtenteils (leicht)…

weiter

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat die Anforderungen an die Begründung und Transparenz der Angebotswertung in Vergabeverfahren weiter präzisiert. Die Entscheidung enthält wichtige Hinweise für die Praxis öffentlicher Auftraggeber und verdeutlicht, dass hier Gestaltungsspielräume bestehen.

weiter

Vereinfachung, Entschlackung, Beschleunigung – das sind die aktuellen Schlagworte, die politische Handlungsfähigkeit demonstrieren und staatliche Handlungsfähigkeit bewirken sollen. Vereinfacht, entschlackt und beschleunigt werden sollen nach den Vorstellungen von CDU/CSU und SPD laut…

weiter

Am 4.12.2025 steht unser [GGSC]-Online-Programm „Update Entsorgungsvergaben – von Fachanwält:innen für Praktiker:innen“ auf dem Programm. Unser Ehrgeiz ist es, Sie als Auftraggeber von Leistungen der öffentlichen Abfallbewirtschaftung nicht nur auf den aktuellen Stand der vergaberechtlichen…

weiter

Veranstaltungen

2025
04
Dec

In unserem Online-Seminar „Update Entsorgungsvergaben – von Fachanwält:innen für Praktiker:innen“ am Donnerstag, den 04.12.2025 haben Sie nicht nur die Möglichkeit, Ihre individuellen Fragen zur Diskussion zu stellen – Sie werden auch auf den aktuellsten, vergaberechtlichen Stand gebracht.

ORT: Online-Seminar
VERANSTALTER: [Gaßner, Groth, Siederer & Coll.] Seminare GmbH
Zur Website der Veranstaltung