Die unverbindliche Verbindlichkeit von DIN-Normen
„Wann ist gut gut genug?“ Wenn ein Planungsbüro oder ein Bauunternehmen die für sein Gewerk zutreffenden DIN-Normen eingehalten hat, oder wenn sein Werk einfach nur dem üblichen Standard entspricht?
Der Fall
Ein Auftraggeber lässt Mehrfamilienhäuser für die Errichtung von Mietwohnungen planen, die für die Mieter erschwinglich sein sollen. Hierzu beauftragt er unter anderem einen Ingenieur mit der Planung der Elektrotechnik. Die Parteien vereinbaren keinen bestimmten Ausstattungsstandard oder die Einhaltung anderer Mindestanforderungen. Nach der Bauausführung bemängelt der Bauherr die Planung, da zu wenig Steckdosen in den einzelnen Wohnungen vorhanden sind. Die Planung bleibt damit hinter den Regelungen der hierfür einschlägigen DIN 18015-2 zurück, was einen Mangel darstellt. Hierfür verlangt der Bauherr vom Fachplaner Schadensersatz.
Die Entscheidung
Das Gericht weist die Klage ab, denn ein Mangel liegt nach dessen Einschätzung nicht vor (OLG Düsseldorf, Urt. v. 9.2.2023 – I-5 U 227/21). Haben Bauherr und Auftragnehmer keine nähere Vereinbarung getroffen, schuldet der Auftragnehmer eine Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik. Das sind Regeln, die einerseits dem Stand der Wissenschaft entsprechen. Andererseits müssen diese sich in der Praxis aber auch durchgesetzt haben und als bewährt gelten.
Ausgangspunkt solcher bewehrten Techniken sind nicht selten DIN-Normen. Das muss aber nicht immer so sein! DIN-Normen sind eben nur Empfehlungen und Richtlinien, keine gesetzlichen Vorschriften. So galt zum Beispiel die DIN-Norm 4109 aus dem Jahr 1962 zum Schallschutz in Wohnräumen bis in die 1980er Jahre fort. Diese war technisch zu diesem Zeitpunkt aber längst überholt, der in der Praxis gängige Schallschutzstandard war deutlich höher. Auf der anderen Seite entspricht auch die DIN 18015-2, auf die sich der Bauherr hier berief, nicht der üblichen Baupraxis. Diese DIN regelt nämlich einen Standard, der auf einen Komfort abzielt, wie man ihn bei gehobenem Ausstattungsstandard erwartet, nicht aber bei durchschnittlichem Standard und insbesondere nicht bei preisgebundenem Wohnraum. Ein solcher gehobener Standard war hier aber gerade nicht vereinbart und die Klage des Bauherrn daher letztlich erfolglos.
Auswirkungen auf die Praxis
Auftragnehmer sollten nicht blind darauf vertrauen, dass sie alle Anforderungen an eine mangelfreie Planung oder Ausführung erfüllen, indem sie die Bestimmungen einer DIN-Norm einhalten. Diese entspricht nämlich nicht in jedem Fall dem, was als allgemeiner Standard nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik erwartet wird.
Umgekehrt sollten Auftraggeber darauf achten, dass sie die Einhaltung bestimmter Normen (zum Beispiel VDI-Richtlinien oder DIN-Normen) ausdrücklich vereinbaren, wenn sie darauf Wert legen. Ansonsten müssen sie damit rechnen, dass das beauftragte Bauwerk zwar einwandfrei funktioniert, aber nicht das Qualitätsniveau hat, dass sie vielleicht stillschweigend erwartet haben.