Newsletter Abfall September 2019

Zum Erfordernis der Teillosbildung in der Abfallwirtschaft

Hat der öffentliche Auftraggeber im Rahmen der Ausschreibung von Entsorgungsleistungen die anfallenden Abfälle bereits nach Abfallarten in Fachlose eingeteilt, sieht er sich anschließend mit der Frage konfrontiert, ob er die anfallenden Abfallmengen weiter aufteilen soll. Hierbei steht ihm die Möglichkeit der Aufteilung in Mengen- oder in Gebietslose (sog. Teillose) zur Verfügung.

Erfordert der Beschaffungsbedarf des öffentlichen Auftraggebers die Aufteilung der auszuschreibenden Abfallmengen?

Es steht zunächst jedem Auftraggeber frei, die auszuschreibenden Leistungen nach seinen individuellen Vorstellungen im Rahmen der ihm übertragenen öffentlichen Aufgaben zu bestimmen (sog. Leistungsbestimmungsrecht). Der Wettbewerbsgrundsatz des Vergaberechts entfaltet allerdings bereits in dieser frühen Phase seine Wirkung insoweit, als der Auftraggeber seinen Beschaffungsbedarf nicht so definieren darf, dass er den Beschaffungsmarkt ungerechtfertigt auf eine geringe Zahl von Anbietern verengt oder Wirtschaftsteilnehmer diskriminiert.

Sach- und auftragsbezogene Gründe, die in dieser frühen Phase Einfluss auf die Entscheidung über die auszuschreibenden Abfallmengen haben können, sind bspw. die Strukturen des regionalen Entsorgungsmarktes, die personellen Ressourcen innerhalb des Verwaltungsapparates, der Umfang des künftigen Vertragsmanagements, die Akzeptanz einer Zuschlagsentscheidung bei den betroffenen Bürgern, die kommunalrechtliche Verteilung der Entsorgungszuständigkeiten oder die Auswirkungen auf die Qualität der künftigen Leistungserbringung.

Auf keinen Fall muss der Auftraggeber seinen Beschaffungsbedarf auf das Leistungsvermögen einzelner Wirtschaftsteilnehmer passgenau zuschneiden.

Erfordern die Strukturen des regionalen Entsorgungsmarktes die Aufteilung der auszuschreibenden Abfallmengen?

Gemäß § 97 Abs. 4 Satz 2 GWB sind Leistungen in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Die Entscheidung über Anzahl und Größe der Lose, in die die Leistung aufgeteilt wird, steht dem öffentlichen Auftraggeber grundsätzlich frei. Maßstäbe der Aufteilung sind die Erbringbarkeit der durch die Lose definierten Teilleistungen durch mittelständische Unternehmen, die Sachgerechtigkeit und Üblichkeit der Abgrenzung der Leistungen sowie die Klarheit der Mängelhaftung. Bei der Gewichtung dieser Gesichtspunkte im Rahmen der Ermittlung der jeweils branchenspezifisch optimalen Losgrößen kommt dem Auftraggeber ein weiter Bewertungsspielraum zu.

Ausgangspunkt sind die Strukturen und Rahmenbedingungen im sachlich und räumlich relevanten Markt. Der Auftraggeber hat zu prüfen, durch welchen Loszuschnitt die Interessen der am regionalen Entsorgungsmarkt tätigen mittelständischen Unternehmen angemessen berücksichtigt werden können, wobei Kleinstunternehmen außer Acht gelassen werden können. Der Auftraggeber ist jedoch nicht verpflichtet, eine umfassende, vollkommen und mit absoluter Sicherheit zutreffende Analyse der gegebenen Marktverhältnisse durchzuführen oder ein Gutachten einzuholen. Eine Aufteilung der auszuschreibenden Abfallmengen ist immer dann zu erwägen, wenn nach den Strukturen des regionalen Entsorgungsmarktes lediglich eine beschränkte Anzahl von (Groß)Unternehmen in der Lage ist, die Entsorgungsleistungen zu bewältigen, und somit eine unzulässige Wettbewerbsverengung zu befürchten ist.

Geben der regionale Entsorgungsmarkt und die vom Auftraggeber vorgegebenen Leistungsbedingungen hingegen die Möglichkeit der Leistungserbringung auch für kleinere und mittlere Unternehmen her, verlangt der Grundsatz der losweisen Vergabe keine weitere Trennung des Auftrags in Einzelteile. In die Entscheidung über die auszuschreibenden Abfallmengen sollten auch die Marktzutrittschancen für neue Unternehmen, die Wirtschaftlichkeit des Anlagenbetriebs nur bei einer gewissen Grundauslastung, die Amortisation neu errichteter Anlagen und der hohe technische Aufwand bei anspruchsvollen Qualitätsanforderungen miteinfließen. In solchen Fällen kann die Ausschreibung größerer Abfallmengen durchaus wettbewerbserweiternd wirken.

Sprechen wirtschaftliche oder technische Gründe gegen eine (weitere) Aufteilung der auszuschreibenden Abfallmengen?
Erfordern die Strukturen des regionalen Entsorgungsmarktes hiernach eine Aufteilung der auszuschreibenden Abfallmengen, so können im Einzelfall ausnahmsweise wirtschaftliche oder technische Gründe eine Gesamtvergabe erfordern (§ 97 Abs. 4 Satz 3 GWB). Im Rahmen der Abwägung kommt dem Auftraggeber ein Beurteilungsspielraum zu, allerdings handelt es sich um eng auszulegende Ausnahmetatbestände.

Dokumentationspflicht und Risiko der Nachprüfung

Die Gründe des Auftraggebers, auf welche er seine Entscheidung zu einem evtl. Verzicht auf Teillosbildung stützt, sollten umfassend dokumentiert werden, da die entsprechende Entscheidung auch der Nachprüfung unterliegen kann. Anders als bei der Fachlosvergabe können allerdings Bieter, die keine mittelständischen Unternehmen sind, die unterbliebene Teillosbildung nach zutreffender Auffassung nicht im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens rügen. Großunternehmen fallen nicht in den Schutzbereich des § 97 Abs. 4 Satz 2 GWB, weil sie aufgrund der ihnen zur Verfügung stehenden Kapazitäten und Ressourcen regelmäßig unabhängig vom Teilloszuschnitt in der Lage wären, ein Angebot einzureichen. Ihnen fehlt damit die Antragsbefugnis nach § 160 Abs. 2 GWB.</p

[GGSC] berät regelmäßig öffentliche Auftraggeber bei der Durchführung von Vergabeverfahren auf dem Gebiet der Abfallwirtschaft und hat bereits zahlreiche Vergabestellen erfolgreich in Nachprüfungsverfahren vertreten.

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