Newsletter Abfall September 2019

BGH: Abweichende Vertragsbestimmungen kein Ausschlussgrund

Stellt ein Bieter in seinem Angebot von den Vergabeunterlagen abweichende Zahlungsbedingungen, obwohl die Unterlagen dies ausdrücklich ausschließen, entfalten diese schlicht keine Wirkung.

Ein Ausschluss des Angebots soll dann jedenfalls nicht erforderlich sein und sich auch nicht als zulässig erweisen. § 16 VOB/A soll aber selbst dann keinen Ausschluss erfordern, wenn § 1 Nr. 1 Abs. 1.3. ZVBBau nicht vorgegeben wurde: Dies soll jedenfalls dann gelten, wenn der Bieter widersprüchliche Erklärung zur Geltung eigener Geschäftsbedingungen abgibt. Dann muss die Vergabestelle vor einem Ausschluss jedenfalls zuerst das Angebot aufklären (BGH, Urteil vom 18.06.2019 – X ZR 86/17).

Beifügung von eigenen AGB des Bieters deuten „erkennbar auf ein Missverständnis hin“

Konkret standen im vom BGH zu entscheidenden Fall Schadensersatzforderungen eines ausgeschlossenen Bieters in Höhe seines „positiven Interesses“, also v.a. wohl des entgangenen Gewinns im Streit. In dem Verfahren hatte die Vergabestelle Tief- und Straßenbauarbeiten im offenen Verfahren nach der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen ausgeschrieben. Nach Vorgabe der Vergabeunterlagen sollten unter anderem die Zusätzlichen Vertragsbedingungen für Bauleistungen (ZVBBau) Bestandteil des Angebotsinhalts werden, in deren § 8 spezielle Vorgaben zur Schlusszahlung geregelt waren.

Das Angebot der Klägerin enthielt jedoch eine eigens eingefügte Klausel zur Endzahlung, die von den Regelungen in den Vergabeunterlagen abwich. Die Vergabestelle schloss ihr Angebot daher wegen Änderungen an den Vergabeunterlagen aus. Dies jedoch zu Unrecht, wie der BGH nun entschied. Nach Auffassung des Gerichts deute es für den Auftraggeber erkennbar auf ein Missverständnis hin, wenn ein Bieter seinem Angebot eigene Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) beifügt, die im Widerspruch zu den Bestimmungen der Vergabeunterlagen stehen. Die von der Klägerin eingebrachte Zahlungsmodalität habe als Abweichung von den maßgeblichen Unterlagen nicht Vertragsbestandteil werden können, sodass ein Hinweis der Vergabestelle an die Klägerin auf den Vorrang der für die Schlusszahlung geltenden Klauseln in den ZVBBau ausreichend gewesen sei, um späteren Unstimmigkeiten vorzubeugen. Für den Ausschluss des Angebots habe es aber jedenfalls keinen Anlass gegeben.

Auch ohne ZVBBau: Bei widersprechenden Angaben im Angebotsformular Aufklärungspflicht!

Der BGH wies zusätzlich daraufhin, dass das Angebot selbst dann nicht hätte ausgeschlossen werden dürfen, wenn die ZVBBau nicht gegolten hätten: Dann soll der Ausschluss jedenfalls ausscheiden, wenn im Angebotsformular – und sei es im Vordruck - klare Erklärungen dahingehend abgegeben wurden, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen kein Angebotsbestandteil sein sollen. Werden trotzdem andere Bedingungen angebracht, muss die Vergabestelle diesen Widerspruch jedenfalls zuerst aufklären – ggf. in einem Bietergespräch.

Praxistipp

Die aktuelle Entscheidung des BGH kann für die Vergabestellen eine Erleichterung bedeuten: Attraktive Angebote müssen nicht mehr allein deswegen ausgeschlossen werden, weil sie abweichende Bedingungen zu den Vergabeunterlagen enthalten. Die Vergabestellen sollten allerdings durch Beifügung der ZVBB oder durch Verankerung entsprechender Erklärungen im Angebotsformular Vorsorge dafür tragen, dass nicht ausgeschlossen werden muss. Bei widersprüchlichen Aussagen jenseits ZVBB ist die Vergabestelle gehalten, aufzuklären.

[GGSC] berät zahlreiche Vergabestelle bei der Ausgestaltung von Vergabeunterlagen und der Wertung von Angeboten.

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