BGH: Spekulationspreise und Mischkalkulationen
Die öffentliche Auftragsvergabe ist geprägt von den Grundprinzipien des Wettbewerbs, der Gleichbehandlung, der Transparenz sowie dem Gebot der fairen Kooperation im Vergabeverfahren. Angebote, die Spekulationspreise und/oder unzulässige Mischkalkulationen enthalten, widersprechen genau diesen Prinzipien und sind deshalb von der Angebotswertung auszuschließen.
Begriff der Spekulationspreise
Um Spekulationspreise handelt es sich bei einer Angebotsstruktur, bei der deutlich unter den zu erwartenden Kosten liegenden Ansätzen bei bestimmten Positionen auffällig hohe Ansätze bei anderen Positionen des Leistungsverzeichnisses entsprechen.
Eine Mischkalkulation setzt typischerweise voraus, dass Kosten, die in einer bestimmten Position des Leistungsverzeichnisses einzukalkulieren sind, in eine andere Position einkalkuliert werden. Der BGH hat jüngst hinsichtlich Mischkalkulationen und Spekulationspreisen klargestellt, dass öffentliche Auftraggeber nach wie vor selbst bei einem im Ergebnis gleichbleibenden Endpreis grundsätzlich ein geschütztes Interesse daran haben, dass die Preise durchweg korrekt angegeben werden (BGH, Urteil vom 19.06.2018, Az.: X ZR 100/16).
Die Vergabekammer Lüneburg hat sich in seinem Beschluss vom 29.04.2019 mit einem Angebot beschäftigt, das Spekulationspreise und Mischkalkulationen beinhaltete, und diesem unter Anwendung der Rechtsprechung des BGH eine Absage erteilt (Az.: VgK-06/2019).
Spekulativ ausgestaltete Angebote sind nicht zuschlagsfähig
Im maßgebenden Fall hat der Antragsgegner Bauleistungen im Offenen Verfahren ausgeschrieben. Die Beschaffung der Leistung war mit verschiedenen Positionen beschrieben. Im Angebot der Antragstellerin fanden sich in einer Position extrem erhöhte und in einer anderen Position stark untersetzte Preise. Darüber hinaus hat die Antragstellerin u.a. ein Kostenelement, das nur für eine Position in Frage kam, in eine früher auszuführende Position verlagert.
Nach eingehender Prüfung kam der Antragsgegner zu dem Ergebnis, dass es sich um eine Mischkalkulation sowie um Spekulationspreise handelt und das Angebot daher gemäß § 16 EU Nr. 3 i.V.m. § 13 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A auszuschließen ist.
Die Vergabekammer Lüneburg gab dem Auftraggeber Recht. In seinem Beschluss hielt die Vergabekammer fest, dass ein vergaberechtswidriges Verhalten vorliegt, wenn ein Bieter den Preis für einzelne Positionen drastisch erhöht und den daraus resultierenden höheren Gesamtpreis zur Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit seines Angebotes im Wege einer Mischkalkulation dadurch kompensiert, dass er andere Positionen mehr oder minder deutlich verbilligt.
Unzulässige Preisverlagerung
Eine solche Preisverlagerung werde bei einer Angebotsstruktur, bei der deutlich unter den zu erwartenden Kosten liegenden Ansätzen bei bestimmten Positionen auffällig hohe Ansätze bei anderen Positionen des Leistungsverzeichnisses entsprechen, indiziert. Dem Bieter ist es allerdings überlassen, die Indizwirkung zu erschüttern.
Zugleich sei es allerdings weder anstößig noch vergaberechtlich unzulässig, wenn ein Bieter Unschärfen im Leistungsverzeichnis zu seinen Gunsten ausnutzt, solange er dabei nicht unredlich spekuliert. Diese Grenze war im vorliegenden Fall eindeutig überschritten, so dass die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag zurückgewiesen hat.
[GGSC] berät regelmäßig öffentliche Auftraggeber unter anderem bei der Angebotsauswertung in Vergabeverfahren.