Newsletter Abfall September 2019

Mehrmengen in Dienstleistungsausschreibungen

Ein aktueller Fall aus dem Bauvergaberecht verdeutlicht ein Problem, das es auch regelmäßig bei Dienstleistungsvergaben zu lösen gilt: tatsächliche Mehrmengen überschreiten im Vertragsvollzug die vom öffentlichen Auftraggeber in der Ausschreibung angegebenen Mengenangaben.

Im konkreten Fall hatte ein Bauunternehmer anstelle von 1 Tonne mehr als 80 Tonnen Bauschutt zu entsorgen. Für das Bauvergaberecht stellt der BGH in seinem Urteil vom 08.08.2019 (Az.: VII ZR 34/18) klar, wie im Falle eines Einheitspreises die Regelung des § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B zur allgemeinen Maßgabe von §§ 133, 145 BGB für die Schließung einer Vertragslücke steht.

Bedeutung der Mengenprognose

Auch bei Dienstleistungsausschreibungen ist die beste Lösung des beschriebenen Problems eine bereits bei der Konzeption der Ausschreibung entwickelte und zugrunde gelegte Mengenprognose, auf deren Grundlage ein passendes Preismodell entworfen wird. Gerade bei erstmalig ausgeschriebenen Leistungen können erhebliche Mengenschwankungen möglich sein. Hier empfiehlt sich eine Korridorbildung, um sich für unterschiedliche Mengenverläufe als Auftraggeber im Wettbewerb der Bieter Preise geben zu lassen. Eine Mehrzahl von Korridoren bedingt jedoch, sich für die Wertung der Angebote vorab Gedanken zur Wahrscheinlichkeit des Eintritts des jeweiligen Mengenkorridors zu machen, um zu einer Vergleichbarkeit der Angebote zu gelangen. Unterschiedliche Korridore erhöhen zugleich die Fehleranfälligkeit bei Angebotslegung und Wertung. Auch können sie einen ungewollten Anreiz für die Abgabe von Spekulationspreisen bieten, dass Bieter die Eintrittswahrscheinlichkeit eines bestimmten Mengenkorridors anders beurteilen.

Anpassungsrechte und Urkalkulation

Kommt es trotz guter Vorbereitung doch zu Über- oder Unterschreitungen von Mengenangaben, stellt sich ebenfalls die Frage nach Preisfindung bzw. -anpassung. Auch insoweit ist es ratsam, bereits im Vorfeld der Ausschreibung z.B. bezüglich der Vorgaben der Urkalkulation Vorkehrungen zu treffen. Ansonsten beantwortet sich die Frage nach der Zulässigkeit und ggf. Höhe der Preisanpassung im Wechselspiel von Vergabeunterlagen/Besondere Vertragsbedingungen, VOL/B und allgemeinem Zivilrecht.

Im Einzelfall kann sich darüber hinaus auch die Frage der vergaberechtlichen Zulässigkeit stellen, sollte die geplante Änderung zugleich eine wesentliche Änderung im Sinne von § 132 GWB sein.

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