Newsletter Vergabe Dezember 2025

Funktionale Leistungsbeschreibung: Vorteile und Fallstricke

10.12.2025

Das VG Düsseldorf hat in einer Entscheidung vom 10.4.2025 (6 K 4798/21) klargestellt, dass die Verwendung sog. (teil)funktionaler Leistungsbeschreibungen bei reinen Bauvergaben vom Auftraggeber zu begründen ist. Andernfalls kann dies zur Unbestimmtheit der Leistungsbeschreibung insgesamt führen, wobei es sich regelmäßig um einen schweren Vergaberechtsverstoß handelt, der zum (teilweisen oder vollständigen) Widerruf bereits gewährter Fördermittel berechtigt. 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine Gemeinde in NRW, schrieb Leistungen zur Wegweisungsbeschilderung in ihrem Stadtgebiet aus. Dieses Vorhaben wurde für den betreffenden Zeitraum mit Zuwendungen über 1.138.900 € gefördert. Bei der Ausschreibung der Leistungen für das Beschilderungssystem verwendete die Gemeinde (nach Ihrer Auffassung) eine teilfunktionale Leistungsbeschreibung, um die ca. 700 Kleinstbaumnahmen zur Aufstellung der betreffenden Schildermasten und Schilder beschreiben. Darunter versteht man bei Bauleistungen Leistungsbeschreibungen, bei denen der Auftraggeber nur einen Teil der der Planung liefert, die für die Herstellung des Bauwerks erforderlich sind. Die über diese grundsätzlichen Vorgaben hinausgehenden Planungsleistungen sowie die Bauausführung überlässt der Auftraggeber hingegen den Bietern, die miteinander um das wirtschaftlichste Konzept zur Erbringung der Leistung konkurrieren. Individuelle Leistungsbeschreibungen für jedes einzelne der ca. 700 Schilder gab es dementsprechend nicht. Der Fördermittelgeber beanstandete nach Prüfung des Schlussverwendungsnachweises die Ungenauigkeit der Leistungsbeschreibung und widerrief im Umfang von 253.497,17 € die bereits bewilligten Zuwendungen. Hiergegen richtet sich die Klage der Auftraggeberin.

Entscheidung

Das Verwaltungsgericht bestätigte den teilweisen Widerruf des Fördermittelgebers aufgrund schwerer Vergaberechtsverstöße und wies die Klage ab. Bei der Prüfung, ob ein schwerer Verstoß gegen das Vergaberecht vorlag, unterstellte das Gericht zugunsten der Gemeinde, dass diese tatsächlich mit einer teilfunktionalen Leistungsbeschreibung gearbeitet habe. Nach den hier von der Auftraggeberin einzuhaltenden Vorgaben der VOB/A-EU hätte die Auftraggeberin vor der Verwendung der Teil funktionalen Leistungsbeschreibung aber abwägen müssen, ob diese Art der Ausschreibung nach Abwägung aller Umstände überhaupt zweckmäßig ist. Das Ergebnis der Abwägung hätte dabei begründet und die Begründung dokumentiert werden müssen. Eine solche Abwägung fehlte hier jedoch vollständig. Ohne eine solche Abwägung ist aber nur die in der VOB/A-EU als Standard vorgesehene konstruktive Leistungsbeschreibung zulässig – also eine Leistungsbeschreibung mit detailliertem Leistungsverzeichnis einschließlich aller erforderlichen Konstruktionsvorgaben. Diesen Maßstab konnte die Leistungsbeschreibung aber nicht gerecht werden, da hierzu deutlich zu viele Angaben fehlten.

Fazit

(Teil)funktionale Leistungsbeschreibungen, bei denen der Auftraggeber einen Teil oder sogar aller Planungsleistungen auf die Bieter verlagert, können einige Vorteile haben: Der Auftraggeber kann sich die Expertise und ggf. innovative Lösungen der Bieter zunutze machen, über die der Auftraggeber evtl. gar nicht verfügt. Da die Bieter unterschiedliche Konzepte vorschlagen können, wird auf diese Weise auch der Wettbewerb gefördert, während sich der Planungsaufwand für den Auftraggeber reduziert. Gerade bei größeren Bauvorhaben oder auch Infrastrukturprojekten, die in VgV-Vergabeverfahren vergeben werden, sind funktionale Leistungsbeschreibungen aus diesen Gründen weit verbreitet.

Aber Vorsicht: Wenn es um reine Bauvergaben nach der VOB/A geht, bei denen der planerische Gestaltungsspielraum der Bieter naturgemäß eher gering ist, muss der Auftraggeber stets die Zweckmäßigkeit einer funktionalen Leistungsbeschreibung gegenüber einer konstruktiven Leistungsbeschreibung abwägen und begründen. Die Anforderungen an die Abwägung sind dabei nicht extrem hoch und der Auftraggeber hat einen deutlichen Abwägungsspielraum. Das Abwägungsergebnis ist aber zwingend zu begründen und zu dokumentieren! Alles andere stellt einen schweren Vergaberechtsverstoß dar und es drohen noch Jahre nach Abschluss der Bauprojekte empfindliche Fördermittelsanktionen.

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