Newsletter Energie Juli 2019

Richtungsweisendes Urteil zu Preisgleitklauseln und Neues vom Statistischen Bundesamt – nicht kompatibel!

Das OLG Frankfurt hat in einem überraschenden und der bisherigen Praxis widersprechenden Urteil entschieden, dass ein Fernwärmeversorger während der Vertragslaufzeit nicht berechtigt ist, eine einseitige Änderung der mit dem Kunden vereinbarten Preisgleitklausel vorzunehmen (OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 21.03.2019 – 6 U 190/17 und 6 U 191/17).

Hintergrund

Ausgangspunkt des Urteils war ein Schreiben, dass die Beklagte als Fernwärmeversorger im September 2015 an ihre Kunden geschickt hat. In diesem Schreiben teilte die Beklagte ihren Kunden mit, dass sie zum 01.10.2015 das Preissystem und die Preisänderungsregelung durch öffentliche Bekanntmachung ändern werde. Sowohl die Preise sollten umstrukturiert werden als auch die verwendeten Faktoren anders gewichtet werden. Dabei berief sich die Beklagte auf § 4 Abs. 2 AVBFernwärmeV, wonach allgemeine Versorgungsbedingungen, wozu auch die Preisänderungsregelungen zählen, durch öffentliche Bekanntmachung geändert werden können.

Begründung des Gerichts

Das OLG Frankfurt ist der Ansicht, dass ein Fernwärmeversorger nicht berechtigt ist, einseitig durch öffentliche Bekanntmachung vereinbarte Preisgleitklauseln zu ändern. Zwar hat das Gericht erkannt, dass Verträge bzw. die Preise auf Änderungen der Umstände / Kostenstruktur hin angepasst werden müssen; dies berechtige die Versorgungsunternehmen jedoch nicht, die Preisgleitklauseln einseitig zu ändern. Eine einschlägige Rechtsgrundlage für eine solche einseitige Änderung existiere nicht. Entgegen der bisherigen Rechtsprechung und Praxis könne eine Änderung insbesondere nicht auf die AVBFernwärmeV oder eine entsprechende Vertragsklausel gestützt werden. § 4 Abs. 2 AVBFernwärmeV enthalte lediglich eine formelle Voraussetzung, regle jedoch gerade nicht die materiellen Voraussetzungen für das Wirksamwerden einer solchen Änderung.

Empfehlung des Gerichts

Vielmehr verweist das Gericht auf die Möglichkeit eines Änderungsvertrages (bedarf der Zustimmung des Kunden) oder einer Änderungskündigung (die erst bei Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit möglich ist). Letzteres sei laut OLG Frankfurt auch völlig unproblematisch, da ein Fernwärmeversorger ja schließlich nicht daran gehindert ist, kürzere Vertragslaufzeiten und Kündigungsfristen abzuschließen.

Schwerwiegende Folgen

Die Empfehlung des Gerichts für kurze Vertragslaufzeiten kann Wärmeversorger nicht überzeugen, gerade wenn im Zuge der Wärmewende Netze neu verlegt werden und der Versorger auf lange Vertragslaufzeiten zur Sicherung der Amortisation seiner Investitionen angewiesen ist. Auch die Kunden möchten Sicherheit und wünschen in der Praxis oftmals sogar längere Laufzeiten als nach der AVBFernwärmeV zulässig.

Die Entscheidung schafft insbesondere

Konflikte zur Rechtsprechung des BGH zur Kostenkorrelation bei Preisgleitklauseln. Der BGH hat in den letzten Jahren insbesondere an die Abbildung konkreter Materialaufwendungen in der Wärmepreisgleitklausel strenge Anforderungen aufgestellt. Ändert sich das Versorgungskonzept und werden neue Energiequellen genutzt, muss die Preisgleitklausel angepasst werden. Das aber wäre nach dem Urteil des OLG Frankfurt nicht zulässig.

Auch die üblichen Entwicklungen beim Statistischen Bundesamt können so nicht mehr aufgefangen werden. In Folge einer Umbasierung vom Statistischen Bundesamt auf das Jahr 2015 hat eine Aktualisierung der Indizes der Fachserien 17 Reihe 1 und Reihe 7 im Frühjahr 2019 stattgefunden. Außerdem erscheint der „Zentralheizungsindex“ nicht mehr in der Fachserie 17 Reihe 7, sondern wird unter einer neuen Bezeichnung „Wärmepreisindex“ separat in der Datenbank des Statistischen Bundesamtes aufgeführt. Diese Änderungen erforderten bisher ebenfalls eine Anpassung der Preisgleitklausel im Wärmelieferungsvertrag, was nach dem Urteil des OLG Frankfurt nun aber nicht mehr möglich sein soll. Das wirft die berechtigte Frage auf, wie mit solchen Änderungen dann in Zukunft umgegangen werden soll.

Angesichts der nicht überzeugenden Argumentation des Gerichts und der daraus folgenden gravierenden Konsequenzen sowohl für die Versorgungsunternehmen als auch für die Kunden bleibt jedoch abzuwarten, ob dieses Urteil in der nächsten Instanz vor dem BGH standhält. Das OLG Frankfurt hat die Revision jedenfalls zugelassen.

[GGSC] berät seit vielen Jahren Wärmeversorger betriebswirtschaftlich und rechtlich bei der Gestaltung und Verwendung von Wärmelieferverträgen, Preisen und Preisgleitklauseln.

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