Newsletter Energie Juli 2019

BGH stärkt Grundstückseigentümer/Betreiber gegenüber BVVG

Viele EE-Vorhaben, insbesondere Windräder und Solaranlagen befinden sich auf vormals oder parallel landwirtschaftlich genutzten Flächen. In den neuen Bundesländern haben Landwirtschaftsbetriebe diese Grundstücke häufig von der Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG) erworben.

Die BVVG legt (bisher) in den einschlägigen Grundstückskaufverträgen für die ehemals in der DDR als volkseigenes Vermögen genutzten Flächen eine Zweckbindung, d.h. landwirtschaftliche Nutzung fest. Diese Zweckbindung sollen Rückkaufs- und Rücktrittsrechte sowie Entschädigungszahlungen sicherstellen. Dagegen hatte ein Landwirt geklagt und u.a. vor dem Kammergericht weitgehend Recht bekommen.

Ausgangssituation/Anlass für Klage

Die BVVG hat zur Sicherstellung der Zweckbindung zumindest in der Vergangenheit in den notariellen Grundstückskaufverträgen entsprechende Informations- und Genehmigungspflichten sowie Rückkaufs- und Rücktrittsrechte vorgesehen. Die Zweckbindung verpflichtete die Erwerber, von der BVVG erworbene Flächen 15 Jahre oder auch länger landwirtschaftlich zu nutzen. Weiterhin waren Klauseln vorgesehen, wonach die Grundstückseigentümer Entschädigungen zu zahlen haben, wenn sie einem Dritten die Errichtung und den Betrieb von Windenergie- und Solaranlagen auf den von der BVVG verkauften Flächen gestatten. Die in den Klauseln vorgesehenen Beträge waren regelmäßig sehr hoch angesetzt und umfassten mindestens 75 % des auf die Gesamtnutzungsdauer der EE-Anlagen kapitalisierten Betrages, welchen der Anlagenbetreiber nach dem mit dem Grundstückseigentümer abgeschlossenen Nutzungsvertrag als Vergütung zu zahlen hat. Von der gesamten auf die verkauften Flächen entfallenden Vergütung war lediglich ein Bewirtschafter-/Pächteranteil von 15 % abzuziehen.

Wesentlicher Inhalt des Urteils

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte für auf landwirtschaftlichen Flächen errichtete Windenergieanlagen (WEA) zu prüfen, ob diese Regelungen wirksam sind. In seinem Urteil vom 14.09.2018 (Az. V ZR 12/17) bestätigt der BGH das Kammergericht. Somit ist eine von der BVVG vorgegebene Zahlungsverpflichtung, wonach der Landwirt einen überwiegenden Teil der Zahlungen aus dem Nutzungsvertrag mit dem Anlagenbetreiber an die BVVG abführen soll, unwirksam. Ein derartiger als Ablösebetrag zu verstehender Zahlungsanspruch ergebe sich nur, wenn ein gesetzliches Wiederkaufs- oder Rücktrittsrecht der BVVG nach der Flächenerwerbsverordnung bestehe.

Ein entsprechendes Wiederkaufsrecht setzt nach Ansicht des BGH voraus, dass Flächen generell „nutzbar werden“. Dies gelte nur für Flächen, welche z.B. durch einen Flächennutzungs- oder Bebauungsplan zu Bauland aufgewertet werden. Derartige Flächen könne die BVVG zum verbilligten Verkaufspreis zurückkaufen und gegen andere landwirtschaftliche Flächen austauschen.

Diese Voraussetzungen lagen für die der Entscheidung des BGH zugrundeliegenden WEA nicht vor. Die Errichtung dieser WEA begründete sich bauplanungsrechtlich auf eine Einstufung als ein privilegiertes Außenbereichsvorhaben gem. § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB. Existiert weder ein Flächennutzungs- oder Bebauungsplan, verändere daher die Realisierung einer WEA nicht den planungsrechtlichen Charakter der landwirtschaftlichen Flächen. Die Ausweisung von WEA in einem Windeignungsgebiet reiche nicht für eine planungsrechtliche Aufwertung der Flächen aus. Daneben könne allerdings grundsätzlich ein Rücktrittsrecht der BVVG in Betracht kommen. Dies setzt nach Ansicht des BGH allerdings voraus, dass wesentliche Teile der verkauften Fläche nicht mehr für landwirtschaftliche Zwecke, sondern für Zwecke der Windenergieerzeugung verwendet werden. Von einem wesentlichen Teil ging der BGH in dem von ihm entschiedenen Fall bei der Errichtung von 3 WEA und betroffenen Flächen im Umfang von 1,41 % der insgesamt vom Landwirt erworbenen landwirtschaftlichen Flächen nicht aus.

Fazit/Konsequenzen/Auswirkungen für Windenergie-/Photovoltaikanlagen

Es ist zu begrüßen, dass der BGH einen seit Jahren laufenden Rechtsstreit zugunsten des Grundstückseigentümers und damit der Betreiber von WEA auf landwirtschaftlich genutzten Flächen entschieden hat. Offen bleibt die Reichweite des Urteils für die Praxis.

Für den Betrieb von WEA lässt sich ein Wiederkaufsrecht und damit auch eine Verpflichtung zur Zahlung einer Entschädigung ausschließen, wenn die Standortflächen nicht überplant werden. Ebenso scheidet ein Rücktrittsrecht aus, wenn der Betrieb von WEA (Fundamente, Abstandsflächen) nur einen unwesentlichen Teil der insgesamt von der BVVG angekauften landwirtschaftlichen Flächen umfasst. Eine Grenze des dafür relevanten Flächenverhältnisses gibt der BGH nicht an. Nach unserer Ansicht dürfte ein Flächenanteil von unter 5 % noch als unwesentlich gelten können. Bei von einem Landwirt erworbenen umfangreichen Flächen dürfte daher die BVVG zukünftig in vielen Fällen keine Entschädigungszahlungen mehr verlangen können.

Im Einzelfall sollten die betroffenen Grundstückeigentümer jeweils prüfen, ob sie bereits gezahlte Entschädigungsbeträge für bestehende WEA erfolgreich zurückverlangen können. Teilweise werden derartige Ansprüche bereits verjährt sein. Weiterhin hat die BVVG wohl oft die konkret zu zahlenden Entschädigungsbeträge in entsprechenden Vereinbarungen geregelt. Dabei hat die BVVG zumindest in letzter Zeit wohl Formulierungen vorgegeben, wonach Rückforderungsansprüche selbst dann ausgeschlossen sein sollen, wenn aufgrund später ergangener Rechtsprechung keine Rechtsgrundlage für die vereinbarten Entschädigungszahlungen mehr besteht. Es spricht allerdings einiges dafür, dass auch diese Formulierungen als Allgemeine Geschäftsbedingungen einzustufen und daher ebenfalls unwirksam sind.

Anders dürfte sich die Rechtslage für die Errichtung und den Betrieb von PV-Anlagen auf landwirtschaftlich genutzten ehemaligen „BVVG-Grundstücken“ darstellen. Auf Grundlage der aktuellen Entscheidung bestehen wohl weiterhin ein Wiederkaufs- bzw. Rücktrittsrecht und damit die Möglichkeit der BVVG, eine hohe Entschädigungszahlung zu erzwingen. Details bleiben jedoch noch zu klären.

Die Errichtung von PV-Freiflächenanlagen im Außenbereich setzt meist die Aufstellung eines Bebauungsplanes voraus. Ein Bebauungsplan ist regelmäßig auch erforderlich, um eine EEG-Förderung zu erhalten (vgl. § 38 a Abs. 1, i.V.m. § 37 Abs. 1 und 2 EEG). Deshalb wird gerade bei der Errichtung von größeren PV-Anlagen Bauland im vorgenannten Sinn geschaffen. Noch offen ist, ob das Kriterium einer wesentlichen Teilfläche erreicht wird. Immerhin nehmen die Aufständerungen der Gestelle von PV Anlagen nur einen geringen Flächenanteil ein. Zwar schränken die von PV-Modulen „überschatteten“ Flächen ggf. die ursprüngliche landwirtschaftliche Nutzung ein, lassen erfahrungsgemäß eine Nutzung als Grünland weiterhin zu.

Der BGH bringt damit viel Bewegung in die BVVG-Flächenthematik. Sowohl für Windenergie- als auch für PV-Anlagen sollte jeweils im konkreten Einzelfall geprüft werden, ob die Eigentümer bereits gezahlte Entschädigungszahlungen zurückfordern oder noch zu zahlende Beträge erfolgreich verweigern können, ohne dass dies die geplante Nutzung durch EE-Anlagen einschränkt.

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