Newsletter Bau November 2021

Wesentliche Änderungen der Brandenburgischen Bauordnung

Ende des Jahres 2020 ist das Gesetz zur  Änderung der Brandenburgischen Bauordnung in Kraft getreten. Die Neuregelungen sind nicht bahnbrechend und dienen vor allem der Anpassung an die Musterbauordnung. 

An dieser Stelle sollen dennoch die folgenden Änderungen und die ersten damit verbundenen Erfahrungen zusammengefasst werden:

Abweichung vom Abstandsflächenrecht

In Berlin besteht für die Bauaufsichtsbehörden bereits seit einigen Jahren die Möglichkeit, eine Abweichung vom Abstandsflächenrecht auf der Grundlage des § 6 Abs. 11 BauO Bln zuzulassen. In Brandenburg war eine inhaltsgleiche Regelung bereits im Rahmen der vorherigen Novellierung im Referentenentwurf enthalten, diese wurde dann jedoch auf der Zielgeraden des Gesetzgebungsverfahrens gestrichen. Nun hat aber auch Brandenburg die Möglichkeit, eine Abweichung vom Abstandsflächenrecht zuzulassen, mit einem neuen § 6 Abs. 11 BbgBO geschaffen. In Anlehnung an die OVG-Rechtsprechung ist nach dem Willen des Gesetzgebers hierzu nicht einmal eine atypische Grundstückssituation erforderlich. Es bleibt abzuwarten, ob die Bauaufsichtsbehörden in Brandenburg von der Möglichkeit nennenswert Gebrauch machen werden. In Berlin sind die Bauaufsichtsbehörden diesbezüglich eher zurückhaltend.

Aussetzung der Verpflichtung zur Herstellung von Stellplätzen

Auf der Grundlage des § 49 Abs. 5 können die Bauaufsichtsbehörden nunmehr zulassen, dass notwendige Stellplätze oder notwendige Abstellplätze für Fahrräder erst innerhalb eines angemessenen Zeitraums nach Fertigstellung des Vorhabens hergestellt werden. Die Bauaufsichtsbehörden haben die Herstellung auszusetzen, solange und soweit nachweislich ein Bedarf an notwendigen Stellplätzen oder notwendigen Abstellplätzen für Fahrräder nicht besteht und die für die Herstellung erforderlichen Flächen zu diesem Zweck durch Baulast gesichert sind. Auf diese Weise kann sich ein Bauherr die Herstellung zunächst einmal „sparen“; von Bedeutung dürfte dies in Fallkonstellationen sein, in denen der Stellplatzbedarf noch nicht final feststeht oder in denen der Stellplatzbedarf nicht unmittelbar nach Nutzungs-aufnahme entstehen wird. 

Der Gesetzgeber lässt allerdings viele Fragen unbeantwortet, denn es ist unklar, wer in diesem Zusammenhang was wann nachzuweisen hat. Uns liegt der Entwurf eines städtebaulichen Vertrages aus der Landeshauptstadt Potsdam vor, in dem im Hinblick auf diese offenen Fragestellungen z.B. ein regelmäßig durchzuführendes Monitoring geregelt wird.

Erweiterung bzw. Konkretisierung genehmigungsfreier Vorhaben

§ 61 Abs. 1 wurde hinsichtlich der genehmigungsfreien Vorhaben konkretisiert bzw. erweitert. Zum Beispiel fallen unter genehmigungsfreie Garagen nunmehr nur solche mit einer mittleren Wandhöhe bis zu 3 m und einer Brutto-Grundfläche bis zu 50 m². Dafür sind nun auch überdachte Stellplätze von der Regelung umfasst. Genehmigungsfrei sind ferner nicht kommerzielle Gewächshäuser mit einer Grundfläche von bis zu 1.600 m² (außer im Landschaftsschutzgebiet) und Terrassenüberdachungen mit einer Fläche bis zu 30 m² und einer Tiefe bis zu 4 m, außer im Außenbereich.

Ebenfalls neu ist die Genehmigungsfreiheit für Antennen mit 15 m auf Gebäuden (bzw. 20 m freistehend im Außenbereich) statt  bisher 10 m und für mobile Geflügelställe  sowie mobile Anlagen zur Bewässerung von landwirtschaftlich und gärtnerisch genutzten Flächen. Auch nicht überdachte Stellplätze und Abstellplätze für Fahrräder sind nun mit einer Fläche von bis zu 100 m² genehmigungsfrei. 

Längere Entscheidungsfrist im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren

Nach § 63 Abs. 4 a.F. musste die Bauaufsichtsbehörde innerhalb eines Monats nach Vorlage der vollständigen Antragsunterlagen über den Bauantrag im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren entscheiden. Die Frist wurde nun nach § 63 Abs. 4 n.F. auf drei Monate verlängert inklusive der Option für die Bauaufsichtsbehörde diese Frist aus wichtigem Grund um bis zu zwei weitere Monate zu verlängern. Bei Ablauf der Frist ohne eine Entscheidung gilt der Antrag nach der Neuregelung als genehmigt. 

„Kleine“ Bauvorlageberechtigung

Auf der Grundlage des § 65 Abs. 1 S. 2 besteht nun die Möglichkeit der sogenannten „kleinen“ Bauvorlageberechtigung. Demnach können z. B. Handwerksmeister bauvorlageberechtigt sein, wenn es um geringfügige oder technisch einfache Bauvorhaben geht. Solche Vorhaben werden in den Nummern 1 bis 5 der Vorschrift definiert. Es handelt sich u.a. um Gebäude bis maximal 100 m² Grundfläche oder Nebenanlagen und Anbauten. Diese neue Vorschrift wurde im Gesetzgebungsverfahren kontrovers diskutiert. Aus der Landeshauptstadt Potsdam haben wir  erfahren, dass es seit Anfang des Jahres in der Stadt Potsdam noch nicht einen einzigen Fall eines entsprechenden Bauantrags gegeben hat.

Typengenehmigung

Auch im Land Brandenburg besteht nun die Möglichkeit, eine Typengenehmigung für solche baulichen Anlagen zu beantragen, die in derselben Ausführung an mehreren Stellen errichtet werden sollen, §72a. Der Gesetzgeber verfolgt damit den Zweck, serielles und modulares Bauen zu erleichtern sowie schnelleres, flexibleres und kostengünstigeres Bauen zu ermöglichen. Damit sollen u.a. der Wohnungsbau beschleunigt und Planungs- und Verfahrenskosten gesenkt werden.

Digitalisierung

Auch im öffentlichen Baurecht schreitet die Digitalisierung voran. Es ist nun möglich, dass Bauanträge digital eingereicht werden. Auf die Schriftform wird in der Brandenburgischen Bauordnung nun weitgehend verzichtet, indem nur noch die „Textform“, die u.a. auch E-Mails einschließt, statt der „Schriftform“ gefordert wird, die eine niederschwellige elektronische Antragstellung ermöglicht. 

Co-Autorin: [GGSC] Rechtsanwältin Maike Raether

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