Newsletter Bau November 2021

Mehrvergütung für notwendige Zusatzleistungen – auch ohne Anordnung

Für eine technisch notwendige Zusatzleistung kann ein Unternehmen auch dann eine Zusatzvergütung verlangen, wenn diese Leistung nicht vom Bauherrn angeordnet wurde, sofern das Unternehmen zuvor Bedenken gegen die ursprünglich vorgesehene Ausführung angemeldet hatte.

In diesem Sinne hat das Kammergericht in einem Urteil vom 07.09.2021 (21 U 86/21) entschieden. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Bauherr trotz Bedenkensanzeige unmissverständlich erklärt, für ihn sei im Konfliktfall die Vermeidung einer Mehrvergütung vorrangig gegenüber der Funktionstauglichkeit des Werkes.

Der Fall

Der Bauherr beauftragte ein Unternehmen auf der Grundlage der VOB/B mit der Ausführung von Malerarbeiten in mehreren Gebäuden. Die Decken und Wände wiesen infolge der Betonarbeiten Schalungsverstöße, Vorsprünge und Kanten auf. Das Unternehmen meldete technische Bedenken gegen die Ausführung an und brachte sodann einen zusätzlichen, ausgleichenden Haftputz auf, der nicht nach dem Ausschreibungsleistungsverzeichnis vorgesehen war. Der Bauherr wendet nun ein, keine Leistungsänderung angeordnet zu haben und möchte den Nachtrag nicht bezahlen.

Die Entscheidung

Das Kammergericht folgt dem Unternehmen und sieht den Nachtrag als berechtigt an. Das Leistungsverzeichnis stammte vom Unternehmen und enthielt keine LV-Position für einen Ausgleichsputz. Das Kammergericht argumentiert wie folgt:

Selbst wenn der Bauherr keine Leistungsänderung angeordnet hat, muss er sich so behandeln lassen, als hätte er vom Unternehmen das Aufbringen von Ausgleichsputz im Sinne einer notwendigen Änderung des Bauvertrages begehrt.

Das Kammergericht sieht einen Zielkonflikt des Bauherrn zwischen dem Wunsch nach einem funktionstauglichen Werk einerseits und dem Wunsch nach Vermeidung eines Mehrvergütungsanspruches andererseits.

Dann sei jedoch – so das Kammergericht – eine objektive Sichtweise entscheidend: Wenn das Unternehmen objektiv Recht hat, steht ihm wegen des Mehraufwandes eine Mehrvergütung zu. Der Bauherr würde sich widersprüchlich verhalten, wenn er auf die zutreffenden, technischen Bedenken des Unternehmens hin keine notwendige Zusatzleistung anordnet; das bloße Schweigen auf die Bedenken stelle einen Verstoß gegen das bauvertragliche Kooperationsgebot dar. Etwas Anderes soll nur dann gelten, wenn der Bauherr unmissverständlich erklärt, für ihn sei im Konfliktfall die Vermeidung einer Mehrvergütung vorrangig gegenüber der Funktionstauglichkeit des Werkes. Dies hatte im zu entscheidenden Fall der Bauherr jedoch gerade nicht getan.

Hinweis

Wieder einmal zeigt sich, wie wichtig es einerseits für ein Bauunternehmen ist, technische Bedenken anzumelden. Andererseits muss in derartigen Situationen der Bauherr sich auch klar und eindeutig gegenüber dem Unternehmer positionieren, wenn er eine, aus objektiver Sicht technisch notwendige Leistungsänderung nicht wünscht.

Schweigt der Bauherr, so gebietet es eine objektive Betrachtungsweise, dass ein funktionstaugliches Werk vom Bauherrn gewünscht ist, einschließlich der Akzeptanz der damit verbundenen Mehrkosten.

Weitere Artikel des Newsletters

Gängige Umlageklauseln für Baustrom und Bauwasser dürften häufig unwirksam sein, wenn sie unabhängig von einer tatsächlichen Inanspruchnahme anfallen. Mit dem praxisrelevanten Thema hat sich nun seit langen wieder einmal ein Gericht beschäftigt.
weiter
Kaum ist das Baulandmobilisierungsgesetz in Kraft getreten - vgl. [GGSC] Sonder-Newsletter Baulandmobilisierungsgesetz, März 2021 -, hat sich das erste Gericht bereits mit der erweiterten Befreiungsmöglichkeit des § 31 Abs. 3 BauGB auseinandergesetzt.
weiter
In Berlin gilt ab 16.07.2021 ein „Solargesetz“. Dieses schreibt für alle ab dem 01.01.2023 beginnenden Baumaßnahmen vor, das auf Neubauten eine Photovoltaikanlage mit einer Fläche von mindestens 30 % der „Bruttodachfläche“ vorhanden sein muss.
weiter