Newsletter Abfall Mai 2021

PPK-Mitbenutzungsentgelte: Foulspiel von Reclay?

Wieder ist ein Streitpunkt bei der Umsetzung des Verpackungsgesetzes entstanden. Eine Einigung über Abstimmungsvereinbarungen nebst Regelungen zu den PPK Mitentsorgungsentgelten ist vielerorts erst im Jahr 2020 zustande gekommen. Manchmal war es der Wunsch der Systeme, manchmal ein Erfordernis für die örE, die Vereinbarung rückwirkend ab dem 01.01.2019 zu schließen. Dabei wurde oft dem Grundsatz gefolgt, an dem zwischen den Systemen und den kommunalen Spitzenverbänden vorgeschlagenen Muster für eine Anlage 7 möglichst wenig zu ändern (O-Ton gemeinsamer Vertreter: „Sonst müssen wir den Kolleg:innen soviel erklären“). Also findet sich in Anlage 7 durchgängig noch die übliche Regelung zur Nachweisführung als Hauptleistungspflicht. 

Einlassung Reclay

Es gibt eine Reihe von Berichten, dass Reclay trotz der rückwirkenden Vereinbarung die Zahlung der PPK-Mitentsorgungsentgelte verweigert. Das klingt dann von Seiten Reclay wie folgt:

Die von Ihnen erwähnte Praxis einer uneingeschränkten Entgeltzahlung aber ist jedenfalls mir fremd. Sie findet denn auch an keiner Stelle der Vereinbarung einen Niederschlag, sondern steht in direktem Widerspruch zu den zivilrechtlichen Regelungen im Falle der Unmöglichkeit einer Hauptleistungspflicht. Es trifft zu, dass die dualen Systeme mit dem Wetteraukreis eine für das Jahr 2019 rückwirkende AV/Anlage 7 vereinbart haben, die am 13.05.2020 bzw. 29.06.2020 unterzeichnet wurde. Ich gehe davon aus, dass dem rechtlich beratenen Wetteraukreis bekannt war, dass jedenfalls zu diesem Zeitpunkt es nicht mehr möglich war, die in Anlage 7 vereinbarte Nachweispflicht rechtzeitig zum gesetzlichen Stichtag aus § 17 III VerpackG zu erfüllen.

Natürlich war Reclay vorliegend nicht der gemeinsame Vertreter. Und natürlich sind die anderen Systeme der Vereinbarung nachgekommen, der sie mit 2/3 - Mehrheit zugestimmt haben. Die Abstimmungsvereinbarung ist für alle bindend. Selbst wenn ein System sich im Rahmen der Einholung der 2/3- Mehrheit gegen die Vereinbarung ausgesprochen hat, ist die Abstimmungsvereinbarung rückwirkend für alle Systeme geschlossen worden.

Venire contra factum proprium

Wenn wir von Foulspiel sprechen würden, könnte das als polemisch eingeordnet werden. Deshalb führen wir stattdessen den Rechtssatz des Venire contra factum proprium an; die Zuwiderhandlung gegen das eigene frühere Verhalten bezeichnet im deutschen Schuldrecht einen Fall des Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Natürlich stellt es ein widersprüchliches Verhalten dar, wenn eine Abstimmungsvereinbarung herbeigeführt wird und es dann heißen könnte: April, April!

Deshalb wurden vorliegend die Mitbenutzungsentgelte für 2019 von den anderen Systemen auch gezahlt.

Gefahr der Wettbewerbsverzerrung 

Regelmäßig sieht sich [GGSC] nicht berufen, die Systeme voreinander zu schützen, aber es sei hier gleichwohl die Frage erlaubt, weshalb alle bis auf ein System seinen ihren Zahlungspflichten nachkommen, dieses eine System aber versucht, eine 6-stellige Forderung nicht begleichen zu müssen. Ist das wettbewerbskonform? 

WME-Fact ersetzt nicht Vertragstreue

Jenseits der Forderung nach Erfüllung der rückwirkend getroffenen Vereinbarungen wird man in Zukunft noch deutlich werden lassen müssen, dass die Erledigung der Nachweisführung und die Bedienung des vorgegebenen Systems WME-Fact nicht ein und dasselbe sind. Natürlich liegen die Nachweise vor, aber es liegt einseitig in der Hand der Systeme, wie lange WME-Fact geöffnet bleibt. Die Nachweise werden erforderlichenfalls auf anderem Wege übermittelt. Die Vertragsabwicklung darf nicht einseitig verhindert werden. 

Nachweisführung und Wiegescheinhandel

In der Vergangenheit gab es auf Seiten der Systeme nicht selten die Praxis, sich dort, wo über den zuständigen örE nicht genügend Nachweise über eine PPK-Verwertung im betreffenden Gebiet eingeholt werden konnten, sich Wiegescheine aus anderen Sammlungen oder anderen Gebieten hinzuzukaufen. 

Reclay hat vorliegend ausgeführt, mit den Verwertungsnachweisen des Wetteraukreises aus dem Jahr 2019 nichts mehr anfangen zu können, denn: „Die zur Quotenerreichung fehlenden Mengen durfte und hat Reclay gesetzeskonform über Zukauf von Mengen bei anderen PPK-Erfassern/Verwertern beibringen können“

Es wird zu erfragen sein, inwieweit dieses Zukaufen vorliegend tatsächlich gesetzeskonform ist oder die zentrale Stelle hier Bedenken äußert. 

Umfrage Strategiekreis 

Der Strategiekreis will das geschilderte Problem der Verweigerung der rückwirkend vereinbarten PPK-Mitbenutzungsentgelte beraten und bittet deshalb zu Händen [GGSC] vergleichbare Fälle zu benennen. Gerne berichten wir später an dieser Stelle über die Ergebnisse des Strategiekreises.

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