Newsletter Vergabe April 2022

Zweifel an der Eignung Bestbieter – erneute Prüfung

In der Praxis kommt es durchaus vor, dass sich im Laufe der Wartefrist nach § 134 VgV durch Hinweise von Mitbietern, oder auch infolge von Veränderungen auf Seiten des Bieters selbst, Anhaltspunkte dafür ergeben, dass bei der Eignungsprüfung doch noch einmal genauer hingeschaut werden muss.

Referenzen etwa werden häufig zunächst nicht näher überprüft, weil kein Anlass dazu bestand. Muss dann z.B. nachträglich und im Anschluss an die Vorabinformation der Bieter über eine beabsichtigte Zuschlagserteilung, doch eine Prüfung vorgenommen werden, die Zweifel an der Eignung ergibt, kann im äußersten Fall und bei entsprechenden Gründen sogar zum Ausschluss des bisherigen Bestbieters beim Vorliegen entsprechender Gründe ein Ausschluss des Angebots geboten sein. Eine Entscheidung, die mehrere relevante und uns aus der Beratungspraxis bekannte Themenfelder abdeckt, hat letztes Jahr die VK Baden-Württemberg erlassen (vom 25.08.2021, 1 VK 42 / 21).

Keine Bindung der Vergabestelle an ursprüngliche Eignungsprüfung

Vertrauensschutz zugunsten des Bieters, dessen Eignung zunächst bejaht worden war, besteht dabei im Zuge der erneuten Eignungsprüfung nicht. Ein solcher ist auch nicht notwendig, weil auch nach Angebotslegung in aller Regel kein wesentlicher (Zusatz-) Aufwand des Bieters erforderlich wird. Die Vergabestelle darf zwar nicht aus sachwidrigen Erwägungen erneut in die Eignungsprüfung eintreten. Gerade wenn dies so spät im Verfahren erneut stattfindet, muss sich dies aber gut begründen lassen und sind die Gründe sorgfältig zu prüfen. Wird die Vergabestelle aufgrund eines Irrtums, infolgedessen sie bestimmte Sachverhalte zu Unrecht mit dem zunächst als Bestbieter vorgesehenen Bieter in Verbindung bringt, erneut mit der Sache befasst, müssen darin noch keine sachwidrigen Gründe liegen.

Sobald beim öffentlichen Auftraggeber bei seiner erneuten Prüfung Zweifel aufkommen, was die Eignung des Bieters angeht, verdichtet sich sein Aufklärungsermessen nach § 15 Abs. 5 S. 1 VgV sodann zu einer Aufklärungspflicht.

Referenzen müssen eigene Leistungen des Bieters wiedergeben

Auch für die Vorlage von Referenzen lassen sich der Entscheidung Maßstäbe entnehmen. Es entspricht danach bereits der Wortbedeutung, dass Referenzen eigene Leistungen eines Bieters wiedergeben. Davon müsse ohne anderweitige Angaben nach dem objektiven Empfängerhorizont auch ausgegangen werden. War der Bieter gar nicht selbst Auftragnehmer bzw. Vertragspartner des Referenz-Auftraggebers, muss er genau darlegen, welche Tätigkeit konkret und in welcher Funktion erbracht wurde. Nur anhand solcher Angaben ist eine Beurteilung der Leistungsfähigkeit über die Referenzen für die Vergabestelle möglich.

Keine Annahmefähigkeit eines zweifelbehafteten Angebots

Kommt ein Bieter einem Aufklärungsverlangen nicht oder unzureichend nach, bestehen also Zweifel am Angebot fort, ist das Angebot zwingend auszuschließen. „Ein zweifelbehaftetes Angebot ist nicht annahmefähig.“ Unzureichende Angaben sollen insoweit einer Weigerung gleichstehen. Auf ein klares Aufklärungsverlangen der Vergabestelle muss der Bieter mit ausreichenden Angaben reagieren. Dabei darf es nicht zu einer Änderung des Angebots kommen. Wenn ein Bieter mittels eines Referenzliste den objektiven Erklärungsinhalt schafft, selbst Vertragspartner gewesen zu sein, und dann im Rahmen der Aufklärung präzisiert, dass er „Kooperationspartner“ ohne nähere Erklärung war, liegt aber eine Änderung vor.

Aufklärungsfrist muss angemessen sein – 2 Tage können ausreichend sein

Gegenstand der Entscheidung war auch die Bemessung der Frist für die Aufklärung des Angebots. Die Vergabekammer hielt die von der Vergabestelle gesetzte Frist zur Aufklärung für ausreichend. Die VgV enthält keine Regelung zur Länge der Frist, sie muss aber angemessen sein. Bei einer leicht zu bewerkstelligenden Aufklärung kann daher im Extremfall auch eine Frist von zwei Tagen angemessen sein. Gerade bei Aufklärungen, die lediglich eine Stellungnahme bzw. Eigenerklärung und gerade keine noch (von Dritten) zu beschaffenden Nachweise erfordern, reicht eine sehr kurze Frist aus.

Vergabestellen sollten sich nicht scheuen, auch bei erst nachträglich aufkommendem Zweifel noch einmal – auch umfassend – in die Eignungsprüfung des bisherigen Bestbieters einzusteigen, um solche Zweifel zuverlässig auszuräumen. Jeweils ist eine sorgfältige Dokumentation der Vorgehensweise anzuraten, um im Streitfall vor der Vergabekammer zu bestehen.

[GGSC] berät öffentliche Auftraggeber bei der Vergabe auch in Einzelfragen und in heiklen Situationen, die mit gewichtigem Zeitdruck verbunden sein können.

Co-Autorin: Rechtsanwältin Fanny Jahnke

 

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