Newsletter Bau Juni 2025

BauGB-Novelle: Schallschutz in der Bauleitplanung – Lockerungen im Gewerbelärmschutzrecht zugunsten (bezahlbarer) Wohnbebauung

20.06.2025

Neben dem sog. „Bau-Turbo“ (vgl. den diesbezüglichen Beitrag in diesem Newsletter) enthält der Kabinettsentwurf zur BauGB-Novelle Regelungen zur Bewältigung von Lärmkonflikten. Die vorgesehenen Festsetzungsmöglichkeiten im Bebauungsplan sollen im Sinne einer vorrangigen Innenentwicklung ein Nebeneinander von Wohn- und Gewerbenutzungen auch dort ermöglichen, wo dies bislang nur mit kostenintensiven baulichen Sonderkonstruktionen (Stichwort: „Hamburger Hafencityfenster“; „Schöneberger Balkone“; Vorhangfassaden etc.) gelingen konnte. Es zeichnet sich ab, dass die BauGB-Novelle das der TA-Lärm immanente strikte Verbot, Gewerbelärmkonflikte mit den Mitteln passiven Schallschutzes zu bewältigen, ganz vorsichtig lockern wird. 

Erleichterung und Rechtssicherheit für heranrückende Wohnbebauung

Im Grundsatz ist das einschlägige Schallschutzniveau, das zur Gewährleistung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse als ausreichend angesehen wird, in den technischen Regelwerken wie der TA-Lärm geregelt. Diese normiert gebietstypbezogene Immissionsrichtwerte. Die Planung von Wohnnutzungen in gewerblich-industriell vorbelasteten Lagen stößt dort an Grenzen, wo diese Richtwerte von vornherein nicht eingehalten werden. Die vorgesehene Neuregelung in § 9 Abs. 1 Nr. 23 a) BauGB, wonach „bestimmte Werte zum Schutz vor Geräuschimmissionen“ abweichend von der TA-Lärm festgesetzt werden dürfen, ermöglicht es der planenden Gemeinde, das höchstzulässige Schallschutzniveau situationsbedingt anzupassen und rechtsverbindlich festzusetzen. Dies ist zwar nicht vollkommen neu. Auch bislang können planende Gemeinden einer künftigen Wohnbebauung ein über den Richtwerten der TA-Lärm liegendes Schallschutzniveau beimessen (Stichwort: Gemengelagen“). Es besteht jedoch nach geltendem Recht keine Möglichkeit, dies durch eine planungsrechtliche Festsetzung im Bebauungsplan explizit zu verankern. Man ist bislang vielmehr darauf beschränkt, das für angemessen erachtete Schallschutzniveau lediglich in die Planbegründung aufnehmen zu können. Dass dies mit erheblicher Rechtsunsicherheit verbunden ist, liegt auf der Hand. Die beabsichtigte Neuregelung ist folglich insofern zu begrüßen, als sie eine Festsetzungsmöglichkeit und damit Rechtssicherheit schafft und ausdrücklich – mit entsprechender Begründung – Abweichungen von den Vorgaben der TA-Lärm zulässt.

Welche Fälle sind erfasst? Wann ist eine Abweichung begründet? Passiver Schallschutz gegen Gewerbelärm?

Die Begründung des Gesetzentwurfs betont, dass Gewerbelärmkonflikte weiterhin vorrangig durch das Ausloten und Festsetzen aller Möglichkeiten „architektonischer Selbsthilfe“ (Baukörperstellung, Grundrissgestaltung etc.) sowie aktiver Lärmschutz- oder Lärmminderungsmaßnahmen zu bewältigen sind. Soweit all dies nicht ausreicht, soll es künftig jedoch zulässig sein können, bauliche und sonstige technische Vorkehrungen gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB  (der ebenfalls mit der Novelle ergänzt wird) zum Schutz vor Gewerbelärm auch für die zu schützende Wohnbebauung festzusetzen. Das bedeutet, dass (ultima ratio!) in Abweichung vom Dogma der TA-Lärm auch passiver Schallschutz an der Wohnbebauung zur Bewältigung eines Gewerbelärmkonfliktes zulässig sein kann. Als konkrete städtebauliche Situation, die dies rechtfertigen könnte, kommen aus unserer Erfahrung insbesondere die (typischen) Fälle in Betracht, in denen im Bebauungsplan zum Schutz einer Wohnbebauung vor Verkehrslärm ohnehin (zulässigerweise) hochklassige Schallschutzfenster mit vorgegebenen Schalldämmmaßen festgesetzt werden müssen. Wenn diese der heranrückenden Wohnbebauung ein ausreichendes Schallschutzniveau vermitteln, sollte es künftig gerechtfertigt sein, in einer durch Verkehrslärm belasteten Lage den (oft nur marginalen oder nur temporär wahrnehmbaren) zusätzlichen Gewerbelärmkonflikt unter Hinweis auf die ohnehin zum Verkehrslärmschutz erforderlichen Schallschutzfenster zu bewältigen.

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