Notwendigkeit der Veröffentlichung von (qualitativen) Unterkriterien
Auch Unterkriterien und ihre Gewichtung sind aus Gründen der Transparenz bekanntzugeben. Die Veröffentlichung der Bewertungsmethode wird dagegen grundsätzlich nicht für erforderlich gehalten (OLG Frankfurt/M., B. v. 12.04.2022, 11 Verg 11/21). Sie kann auch später festgelegt werden, wenn sie die Zuschlagskriterien nicht ändert, nichts enthält, was die Angebotslegung hätte beeinflussen können und keine Diskriminierung zu besorgen ist. Insoweit hat das OLG an die Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) angeknüpft.
An diesen Grundsätzen hält das OLG auch für eine funktionale Ausschreibung fest. Im vom OLG entschiedenen Fall hatte die Vergabestelle die o.g. Anforderungen erfüllt. Zwar waren die Informationen – soweit ersichtlich – auf mehrere Dokumente verteilt, jedoch offenbar ausreichend transparent bekannt gegeben worden.
Ausdrücklich klargestellt hat das OLG überdies, dass ein Bieter Fehler bei der Bekanntmachung von Zuschlagskriterien auch noch nach Absendung des Informationsschreibens nach § 134 GWB rügen kann. Insoweit soll sein Rügerecht nicht ausgeschlossen bzw. „präkludiert“ sein. Begründet wird dies mit fehlenden gesetzlichen Bestimmungen über die Anforderungen an die Bekanntmachung von Zuschlagskriterien etc. – für europaweite Vergaben z.B. im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) oder der Vergabeverordnung (VgV). Das OLG schließt daraus, ein durchschnittlich verständiger Bieter könne nicht ohne weiteres erkennen, welche Anforderungen hier gelten und ob die Vergabestelle sich hier Verstöße vorwerfen lassen muss.
Zusammenfassend gilt also: Vorsicht bei der Formulierung von qualitativen Zuschlagskriterien, deren Unterkriterien und der Veröffentlichung. Mehr Transparenz führt hier im Zweifel auch zu mehr Rechtssicherheit.
[GGSC] verfügt über umfassende, praktische Erfahrung bei der Beratung von Auftraggebern bei der Formulierung von Zuschlagskriterien und der Aufstellung von Bewertungsmatrizes. Diese Erfahrung zeigt, dass es sich – auch wenn rechtlich nach EuGH und OLG FFM nicht zwingend erforderlich – durchaus empfehlen kann, im Einzelfall die Wertungsmatrix mit den Vergabeunterlagen zu veröffentlichen. Dann wissen die Bieter genau, worauf sie sich einlassen und wie sich die qualitativen Zuschlagskriterien konkret auswirken.
Co-Autorin: Rechtsanwältin Fanny Jahnke