Newsletter HOAI Juli 2019

Änderungen von Regeln der Technik im laufenden Projekt – Welche Auswirkungen auf die Planungsleistung?

Die Änderung der DIN 276 ist nur ein Beispiel dafür, dass sich mitten im laufenden Planungsprojekt eine Regel der Technik ändern kann. Was hat das für Auswirkungen auf die Planungsleistungen?

Ausgangspunkt

Im Grundsatz schuldet der Architekt eine Planung, die die anerkannten Regeln der Technik berücksichtigt. Deren Einhaltung sichert der Architekt stillschweigend bei Vertragsschluss als Mindeststandard zu. Entscheidend sind die anerkannten Regeln der Technik im Zeitpunkt der Abnahme, nicht der Zeitpunkt des Beginns der Planung. Dass man als Planer die Regeln der Technik zum Stichtag der Abnahme schuldet, ist häufig unbekannt und wird auch immer wieder bezweifelt, ist aber eindeutig so. Bauordnungsrechtlich ist es ausreichend, sich an die Normen im Moment des Bauantrags zu halten. Werkvertragsrechtlich schuldet man aber ein Werk, das den Regeln der Technik bei Abnahme entspricht. Das Bauordnungsrecht betrifft nur die Frage, was der Staat erlaubt (Was darf ich planen?); das Werkvertragsrecht regelt hingegen, was der Auftraggeber verlangen darf (Was muss ich planen?).

Zwischen diesen Zeitpunkten können Jahre liegen. Es stellt sich also die Frage, wie man mit Änderungen der anerkannten Regeln der Technik im laufenden Projekt umgehen muss.

Maßstab für die anerkannten Regeln der Technik

In einem ersten Schritt muss der Architekt daher ermitteln, welchen Standard eine den allgemeinen Regeln der Technik genügende Planung erfordert. Hier darf sich der Architekt zunächst an Vorgaben der DIN orientieren. Denn die anerkannten Regeln der Technik werden häufig durch DIN-Normen verkörpert.

Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Der Architekt muss prüfen, ob die relevanten DIN-Normen noch die anerkannten Regeln der Technik wiedergeben oder bereits überholt sind. Das gilt insbesondere, wenn bereits zu Beginn der Planung konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die relevante DIN hinter den für ein mangelfreies Werk beachtlichen anerkannten Regeln der Technik zurückbleibt. Solche Anhaltspunkte können z. B. darin liegen, dass verschiedene Publikationen, die in einer DIN-Norm festgelegten Standards in Frage stellen (OLG Nürnberg, Urteil vom 06.08.2015 – 13 U 577/12).

Änderung der anerkannten Regeln der Technik vor der Abnahme

Verändern sich DIN-Normen bzw. die anerkannten Regeln der Technik während der Planung oder gibt es andere Gründe, die dafür sprechen, ausnahmsweise von den anerkannten Regeln der Technik nach unten abzuweichen (insbesondere bei Bauen im Bestand), gilt folgendes: Um sich keinen Gewährleistungsansprüchen des Auftraggebers auszusetzen, bleibt in diesem Fall dem Architekten daher nichts anderes übrig, als den Auftraggeber auf das Risiko des Unterschreitens der Regeln der Technik hinzuweisen.

Verlangt der Auftraggeber die Anpassung der Planung an den inzwischen höheren Standard der Regeln der Technik, und wird damit eine Umplanung erforderlich, wird der Architekt die Umplanung meistens als Nachtrag nach § 10 Abs. 2 HOAI abrechnen können. Es gibt also auch keinen finanziellen Grund, vor einer angeordneten und notwendigen Umplanung zurückzuschrecken.

Der Auftraggeber hat aber auch die Möglichkeit, sich gegen eine (teure) Umplanung zu entscheiden und eine Planung zu akzeptieren, die die anerkannten Regeln der Technik unterschreitet. Hier muss der Architekt jedoch unbedingt im Blick behalten, dass ein einfacher Hinweis auf eine DIN, die die anerkannten der Regeln der Technik unterschreitet, zumal in einem bloßen Verkaufsprospekt, nicht ausreicht. Dies hat das KG mit Urteil vom 21.04.2015, 21 U 195/12 für den Fall entscheiden, dass der Bauträger in einem Verkaufsprospekt Trittschallschutz nach DIN 4109 zusicherte, obwohl bei einem üblichen Standard eine Planung dem erhöhten Schallschutz nach Beiblatt 2 der DIN 4109 erwartet werden kann. Auch die Unterschrift des Bauherrn unter einen Bauantrag, dem eine die Vorgaben der relevanten DIN unterschreitende Planung zu Grunde liegt, reicht hier für eine mangelfreie Planung nicht aus (OLG München, Beschluss vom 18.09.2015 – 27 U 4611/14).

Voraussetzung für eine mangelfreie Planung ist vielmehr, dass der Architekt dem Auftraggeber mit der gebotenen Deutlichkeit vermittelt, dass der Standard der anerkannten Regeln der Technik unterschritten wird, und was die Konsequenz daraus ist. Er muss also deutlich auf eine möglicherweise verringerte Wohnqualität bei der Unterschreitung der anerkannten Regeln der Technik hinweisen. Aus Beweisgründen sollte man diesen Hinweis und die Zustimmung des Auftraggebers auch schriftlich dokumentieren und für eine klare Antwort des Auftraggebers sorgen.

Fazit

Im Ergebnis schulden Architekten mit ihrer Planung also stets den Standard der anerkannten Regeln der Technik im Zeitpunkt der Abnahme. Diese können, müssen aber nicht DIN-Normen verkörpert sein. DIN-Normen können die anerkannten Regeln der Technik auch unterschreiten. Ändern sich Normen nach Vertragsschluss, ohne dass dies vorhersehbar war, muss zwar auf Wunsch des Auftraggebers umgeplant werden, dies muss dann aber in aller Regel auch honoriert werden.

Eine Unterschreitung der anerkannten Regeln der Technik ist nur zulässig, wenn der Auftraggeber dem zugestimmt hat und vorher darüber und die damit verbundenen Folgen deutlich aufgeklärt wurde. Dies sollte man stets schriftlich dokumentieren.

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