Wann ist Mängelbeseitigungsaufwand unverhältnismäßig?
Ein Klassiker bei Streitigkeiten wegen Baumängeln ist der Einwand des Auftragnehmers, die vom Auftraggeber verlangte Mängelbeseitigung sei unverhältnismäßig teuer. In wohl 90% der Fälle geht dieser Einwand ins Leere, aber es gibt Ausnahmen, wie eine Entscheidung des OLG Schleswig zeigt.
Der Fall
Die späteren Beklagten beauftragten ein Bauunternehmen, die spätere Klägerin, mit der Errichtung eines Einfamilienhauses mit Satteldach zu einem Preis von ca. 360.000 €. Vereinbart war dabei auch die Herstellung eines 1,70 cm hohen Drempels (Kniestock) im Obergeschoss und einer Dusche in einem Kinderbad mit einer Breite von 90 cm. Bei Abnahme zeigte sich, dass der Drempel tatsächlich nur 157 cm hoch und die Dusche weniger als 90 cm breit sind. Die Auftraggeber halten daher ca. 13.000 € Restwerklohn zurück und fordern Mängelbeseitigung. Die Auftragnehmerin verweigert die Mängelbeseitigung und behauptet, die Kosten hierfür seien unverhältnismäßig hoch.
Die Entscheidung
Tatsächlich kann sich die Klägerin in zweiter Instanz mit ihrem Einwand vor dem OLG Schleswig (Urt. v. 3.7.2024 – 12 U 63/22) durchsetzen. Die Klägerin erhält aufgrund der Mängel zwar nicht den eingeklagten Werklohn, muss aber auch die Mängel nicht beseitigen. Das Gericht begründet seine Entscheidung damit, dass die Nutzungseinschränkungen durch die Mängel nur gering seien. Durch den zu niedrig ausgeführten Drempel verringerte sich die Höhe des Obergeschosses zwar insgesamt. Die effektive Fläche, die durch eine aufrechtstehende erwachsene Person genutzt werden konnte, reduzierte sich aber nur geringfügig. Auch die Dusche konnte nach der Urteilsbegründung „von einer Person mit durchschnittlicher Breite“ ohne Einschränkungen genutzt werden. Demgegenüber standen voraussichtliche Kosten der Mängelbeseitigung von ca. 315.000 €, um den gesamten Dachstuhl für eine Erhöhung des Drempels anzuheben. Das Interesse der Auftraggeber an der Mängelbeseitigung musste hinter diesem Kostenaufwand zurücktreten.
Auswirkungen für die Praxis
Eine Nacherfüllung zur Mängelbeseitigung ist nur dann unverhältnismäßig, wenn die Nacherfüllungskosten zu dem durch die Mängelbeseitigung erzielbaren Erfolg in keinem vertretbaren Verhältnis stehen. Im hier entschiedenen Fall war der Auftragnehmer vor allem deshalb von der Mängelbeseitigung befreit, weil die die Nutzungseinschränkungen durch die Mängel gering waren und die Nacherfüllung daher nur kaum spürbare Verbesserungen gebracht hätte. Hätten die Auftraggeber hingegen etwas größere Einschränkungen in der Nutzbarkeit ihres Hauses nachweisen können, wäre die Entscheidung wohl anders ausgefallen.
Auftragnehmer sollten sich generell nicht vorschnell auf den Einwand unverhältnismäßiger Kosten der Mängelbeseitigung zurückziehen. Dieses Argument kann nur dann Erfolg haben, wenn z.B. Nutzungseinschränkungen aufgrund der Mängel vernachlässigbar sind oder es nur um geringfügige optische Beeinträchtigungen geht. Bereits eine spürbar eingeschränkte Nutzbarkeit des fertig gestellten Bauwerks oder ästhetische Einschränkungen, die nicht ganz unwesentlich sind, führen zu einem hohen Interesse des Auftraggebers an der Mängelbeseitigung. Die dafür erforderlichen Kosten stehen dann nicht außer Verhältnis zu diesem Interesse. Keine Rolle spielt dabei, wie hoch die Kosten der Mängelbeseitigung im Verhältnis zum vereinbarten Werklohn sind! [GGSC] hat schon Fälle für Auftraggeber begleitet, in denen die vom Auftragnehmer letztlich zu tragenden Mängelbeseitigungskosten höher waren als die ursprüngliche Auftragssumme. Auftraggeber sollten sich daher auch in außergerichtlichen Verhandlungen nicht von vornherein von der Behauptung unverhältnismäßig hoher Kosten der Mängelbeseitigung beeindrucken lassen. Schon wenn die beanstandeten Mängel für den Auftraggeber deutlich spürbar sind, wird der Einwand der Unverhältnismäßigkeit des Nacherfüllungsaufwands in aller Regel erfolglos bleiben.