Newsletter Bau November 2025

Keine Wiegescheine – keine Vergütung?

18.11.2025

Das OLG Köln hat in einer aktuellen Entscheidung den Werklohn trotz fehlender Nachweise bejaht! 

Einleitung

Im Baualltag stellt sich häufig die Frage, ob ein Unternehmer seinen Werklohn auch dann verlangen kann, wenn vereinbarte Wiegescheine oder Aufmaße fehlen. Das Oberlandesgericht Köln (Urteil vom 17.09.2025 – 11 U 70/23) hat diese Frage nun praxisrelevant beantwortet: Die fehlende Vorlage von Wiegescheinen steht dem Vergütungsanspruch nicht zwingend entgegen, sofern der Unternehmer die ausgeführte Leistung anderweitig nachweisen kann.

Der Fall

Ein Bauunternehmen hatte im Auftrag des Bauherrn den Erdaushub für eine Baugrube übernommen. Nach Fertigstellung stellte es eine Schlussrechnung über rund 21.000 € brutto, abzüglich bereits gezahlter 7.800 €. Der Auftraggeber verweigerte die Restzahlung mit dem Argument, der Vertrag habe ausdrücklich die Vorlage von Wiegescheinen vorgesehen; da diese fehlten, bestehe kein Anspruch. Das Landgericht Köln folgte dieser Auffassung und wies die Klage ab.

Die Entscheidung 

Das OLG Köln hob das Urteil weitgehend auf und sprach dem Unternehmer 13.342,43 € brutto zu. Nach Auffassung des Senats stellt die Pflicht zur Vorlage von Wiegescheinen keine eigenständige Anspruchsvoraussetzung, sondern lediglich eine Beweisregel dar. Sie dient dem Nachweis der abgerechneten Mengen, nicht aber der Begründung des Anspruchs selbst. Kann der Unternehmer seine Leistung durch andere Beweismittel glaubhaft machen – etwa durch Sachverständigengutachten, Aufmaßdaten oder digitale Geländemodelle – genügt dies. Das Gericht kann auf dieser Grundlage nach § 287 ZPO den Mindestumfang der Leistung schätzen.

Im konkreten Fall hatte ein Sachverständiger die Aushubmenge anhand eines digitalen Geländemodells (DGM) und bodenmechanischer Umrechnungsfaktoren nachvollziehbar auf 1.091 t ermittelt. Diese Schätzung übernahm das OLG, sodass die Klägerin ihren Werklohn trotz fehlender Wiegescheine zugesprochen bekam.

Fazit

Das Urteil schafft Klarheit für die Baupraxis: Fehlende Wiegescheine führen nicht automatisch zum Verlust des Vergütungsanspruchs. Entscheidend ist, dass der Unternehmer anderweitig Tatsachen vortragen und belegen kann, die dem Gericht eine sachgerechte Schätzung ermöglichen. Die Entscheidung stärkt damit die Position von Werkunternehmern, die ihre Leistungen zwar ordnungsgemäß erbracht, aber nicht lückenlos dokumentiert haben – etwa bei Verlust von Wiegescheinen oder unvollständigem Aufmaß. Für Auftraggeber bedeutet das umgekehrt: Vertragsklauseln über Nachweispflichten sind sorgfältig auszulegen – sie schaffen keine unbedingten Zahlungshürden, sondern dienen lediglich der Beweissicherung.

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