Newsletter Abfall Juli 2020

Rahmenvorgabe vor Gericht - Beschluss gegen örE in Eilverfahren erster Instanz

Die Stadt Göttingen will eine Umstellung bei der LVP-Sammlung von Sack auf Tonne und für die Tonnensammlung eine Abholung vom Grundstück, wie es für die Restmüllentsorgung der Standard ist.

Nachdem entsprechende Verhandlungen erfolglos blieben, wurden Rahmenvorgaben verbunden mit der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit erlassen. Hiergegen wurde von den Systemen Klage erhoben und ein Eilverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO eingeleitet. Die Stadt Göttingen wird von [GGSC] vertreten.

Das Verwaltungsgericht Göttingen hat im Eilverfahren durch Beschluss vom 10.07.2020 (Az.: 4 B 135/20) die aufschiebende Wirkung der Klagen gegen die Rahmenvorgaben wieder hergestellt. Das Verwaltungsgericht bezeichnet die Erfolgsaussichten der Klagen als offen und nimmt daher eine Abwägungsentscheidung vor. Diese Abwägungsentscheidung geht nach Ansicht des Gerichts aufgrund der erheblichen Investitionen in die gelben Tonnen zugunsten der Antragstellerinnen aus.

Inhaltlich stützt das Verwaltungsgericht die Offenheit des Ausgangs der Klageverfahren auf zwei Punkte:

1. Zunächst geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass Zweifel daran bestehen, ob vom öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger ein sogenannter „Vollservice“ angeordnet werden kann. Dies hält das Gericht für problematisch, weil die Möglichkeit zur Rahmenvorgabe bereits eine Durchbrechung der Organisationsverantwortung der Systeme für die LVP-Erfassung sei und daher eine enge Auslegung der Rechtsgrundlage vorgenommen werden müsse.

2. Der zweite vom Verwaltungsgericht aufgegriffene Aspekt ist vor dem Hintergrund des Gesetzgebungsprozesses mehr als überraschend. Das Gericht stellt in Frage, ob der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger überhaupt vorgeben könne, dass die Sammlung von LVP mit gelben Tonnen durchzuführen sei. Als Argument wird insoweit auf die Antragstellerin verwiesen, die vorgebracht hat, dass die Verweilzeiten der Fahrzeuge bei einer Erfassung mit Tonnen verlängert würden. Daher sei der Ausstoß von CO2 gestiegen. Nach Auffassung des Gerichts müsse im Rahmen des Hauptsacheverfahrens geklärt werden, ob insoweit den Anforderungen von § 22 VerpackG (Effektivität der Erfassung) genüge getan sei.

Beschwerde wird eingelegt

Die Stadt Göttingen hat [GGSC] beauftragt, Beschwerde gegen den Beschluss einzulegen. Die Beschwerdebegründung wird insbesondere darauf eingehen, dass der angestellte Kostenvergleich zwischen Investitionen in Tonnen und dem Einsatz von Säcken zu kurz greift. Vor allem wird deutlich zu machen sein, dass zwischen dem Sammelsystem des örE und dem der Systeme bekanntlich eine Abstimmung zu erfolgen hat. Wenn dies nicht nur eine quälende Verhandlungspraxis beschreiben, sondern dem Wortsinn gerecht werden soll, dann sind die beiden Systeme aufeinander abzustimmen. Deshalb kann dem Bürger nicht der Standard verwehrt werden, der ihm bei der Restmüllentsorgung eingeräumt ist. Insoweit stellt der Entsorgungsstandard nicht nur eine Beschränkung für Rahmenvorgaben dar, sondern ist eine Art von Blaupause. Schließlich wird dem OVG aufzuzeigen sein, dass der Verweis auf Verweilzeiten der Müllfahrzeuge nicht geeignet sein kann, dem Recht der örE, erforderlichenfalls mit Rahmenvorgaben vorzugehen, von vornherein den Boden zu entziehen. Der Gesetzgeber sieht sich sicherlich auch dem Klimaschutz verpflichtet; eine generelle Infragestellung von Tonnensammlungen hat der Gesetzgeber nun mit Sicherheit nicht gewollt!

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