Gebührenerhebung und Gesamtschuld – Neues aus der Rechtsprechung
Es kommt immer wieder vor: Auf dem Grundstück wohnen Personen, die weder Eigentümer noch Mieter sind. Die Satzungslage erlaubt die Heranziehung mehrerer Berechtigter als Gesamtschuldner. Wie detailliert muss dann die Satzung sein? Das Verwaltungsgericht (VG) Dresden stellt in einer mittlerweile rechtskräftigen Entscheidung strenge Anforderungen. Insbesondere müsse die Satzung selbst regeln, in welcher Prioritätenfolge potenzielle Gesamtschuldner herangezogen werden sollen. In anderen aktuellen Entscheidungen aus anderen Bundesländern (z.B. Baden-Württemberg) wird dem Gebührengläubiger gerade für Gesamtschuldner ein deutlich größerer „Heranziehungsspielraum“ im Einzelfall zugestanden, Satzungsregeln zu Prioritäten sind nicht erforderlich.
Unübersichtliche Berechtigungslage im Ausgangsfall des VG Dresden
Im Kaufvertrag, der über das Grundstück vor Erlass des Gebührenbescheids geschlossen worden war, wurde dem dort wohnenden Kläger ein lebenslanges Nutzungsrecht an dem dortigen Einfamilienhaus eingeräumt. Die Eigentümerin, eine GmbH hatte 2 Jahre vor Erlass des Bescheids 2022 Insolvenz angemeldet. Der Kläger war gleichzeitig Geschäftsführer der GmbH.
In der Abfallwirtschaftssatzung war der Eigentümer als Anschlusspflichtiger bestimmt. Gleichgestellt wurden dinglich Berechtigte, insbesondere Erbbauberechtigte, Wohnungs- oder Teileigentümer, Wohnungsberechtigte i.S. des Wohnungseigentumsgesetzes und Nießbraucher. Als Gebührenschuldner i.S. der Gebührensatzung wurden Anschluss- und Überlassungspflichtige sowie entsprechend Berechtigte, die Leistungen der Abfallwirtschaft in Anspruch nehmen bestimmt. In einem zweiten, erläuternden Satz, der mit den Worten „Das sind“ beginnt, wurden Eigentümer, Erbbauberechtigte, Wohnungs- oder Teileigentümer, Wohnungsberechtigte, Nießbraucher und sonstige dinglich Berechtigte genannt. Daneben sollten auch wirtschaftliche Eigentümer i.S. von § 39 AO sowie tatsächliche Nutzer, v.a. Mieter und Pächter herangezogen werden. Mehrere Gebührenschuldner sollten als Gesamtschuldner haften, auch Wohnungs- und Teileigentümer i.S. des WEG.
Widerspruch zwischen Gebühren- und Abfallsatzung?
In Abänderung einer dahingehenden Versagung durch das VG Dresden gewährte das OVG Bautzen Prozesskostenhilfe. Unter Verweis auf eine Entscheidung aus dem Jahr 2023 zur Einleitergebühr äußerte es Zweifel an der ausreichenden Bestimmtheit der Regeln zum Gebührenschuldner. Es müsse sich aus einer Abgabennorm nach § 2 SächsKAG unmittelbar ergeben, wer von der Abgabe betroffen sei. Es sei nicht zulässig, unterschiedliche Gruppen von Adressaten in der Art einer Ermessensentscheidung heranzuziehen. Die Entscheidung über die Person eines Abgabepflichtigen dürfe nicht für ganze Gruppen von Betroffenen von dem zuständigen Satzungsgeber auf diejenigen, die die Satzung lediglich anwendeten, übertragen werden. Die Klärung dieser Frage müsse der Hauptsache vorbehalten werden. Daraufhin hob das Verwaltungsgericht die Bescheide mit einer ähnlichen Argumentation auf (Urteil v. 19.09.2025, Az.: 5 K 1718/22). Kritisiert wurde zudem ein (vermeintlicher) Widerspruch zwischen AWS und Gebührensatzung: In der AWS seien Wohnungsberechtigte nach dem Wohnungseigentumsgesetz als Anschlusspflichtige aufgezählt worden, in der Gebührensatzung nur Wohnungsberechtigte. Dabei könne es sich aber auch um solche nach § 1093 BGB handeln. Vor allem sei in der Satzung nicht bestimmt worden, nach welchen Kriterien der ein oder andere Gebührenschuldner herangezogen werde. Die unterschiedlichen Bestimmungen des Wohnberechtigten stünden zueinander in Widerspruch. Dass in der Gebührensatzung auch noch weitere, tatsächliche Nutzer bestimmt worden seien, helfe nicht weiter. Konkret war der Kläger als im Grundbuch eingetragener Inhaber eines Wohnrechts herangezogen worden.
Keine Gesamtschuldnerauswahl trotz Verweis auf § 44 AO in § 3 SächsKAG?
Ob in Bezug auf die unterschiedliche Bestimmung des Wohnberechtigten zwischen Gebühren- und Abfallsatzung tatsächlich ein Widerspruch bestand, erscheint zweifelhaft: Jeweils waren eindeutig Eigentümer und dinglich Berechtigte sowohl als Anschlusspflichtige als auch als Gebührenschuldner bestimmt worden. Die beispielhafte Aufzählung bestimmter Berechtigter diente jeweils – auch wenn sie unterschiedlich ausgefallen war - nur der Verdeutlichung. Dies wäre durch Auslegung bestimmbar gewesen. Die Gebührensatzung hatte ausdrücklich mehrere Gebührenschuldner als Gesamtschuldner bestimmt.
Im Kern geht es dem VG Dresden aber um etwas anderes: Wenn gefordert wird, dass sich für jeden potenziellen Gebührenschuldner aus Gründen der Bestimmtheit eindeutig ablesen lassen muss, unter welchen Voraussetzungen er herangezogen wird, wird dadurch die Rechtsfigur des Gesamtschuldners entwertet.
Womöglich wird damit auch die Bedeutung des Verweises auf die Möglichkeit der Heranziehung von Gesamtschuldnern im Verweis auf § 44 AO in § 3 SächsKAG verkannt. Dann aber muss dem Abgabengläubiger auch die Möglichkeit eröffnet werden, aus nachvollziehbaren Erwägungen heraus zwischen Gesamtschuldnern auszuwählen und sich im Notfall auch nur an einen Gesamtschuldner zu halten. Nach dem VG Dresden wäre dies nicht mehr möglich, sämtliche ermessensleitenden Erwägungen (nach welchen Kriterien wird herangezogen? Etc.) müssten sich in der Satzung finden. Dies erscheint realitätsfern und verkennt die Bedeutung des Verweises auf § 44 AO in § 3 SächsKAG.
VGH Mannheim: Gesamtschuldnerauswahl zwischen Eigentümer und Mieter möglich
Auch ein Blick über die sächsischen Landesgrenzen hinaus verdeutlicht, dass dies in anderen Bundesländern von den Gebührensenaten durchaus anders gesehen wird: Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheim hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem zuerst der Mieter herangezogen worden war. Nach einer Zahlungsverweigerung war der Gläubiger dann sofort gegen den Eigentümer vorgegangen ohne zunächst gegen den Mieter zu vollstrecken. Dies war vom VGH Mannheim nicht beanstandet worden. Zwar enthielt die dortige Satzung eine Regelung, wonach zunächst gegen den Mieter vorzugehen war und der Eigentümer nur nachrangig herangezogen werden sollte. Mit Blick auf § 44 AO entschied der VGH Mannheim aber weitergehend, dass bei einer Bestimmung von Eigentümern und Mietern als Gebührenschuldner für die gleiche Leistung schon eine „Gesamtschuldnerschaft kraft Landesrechts“ gelten soll und verwies insoweit auf § 3 KAG BW i.V.m. § 44 AO. Seien wie hier satzungsrechtlich mehrere Personen nebeneinander für die gleiche Haftung Gebührenschuldner, könne die Kommune nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen auswählen, von welchem Gesamtschuldner sie die Leistung fordern will. „Nach allgemeiner Meinung ist das der Gemeinde eingeräumte Ermessen dem Zweck der gesamtschuldnerischen Haftung entsprechend sehr weit.“ Der Zweck soll in der Erleichterung des Verwaltungsvollzugs und der Verringerung von Verwaltungsaufwand liegen. Ein Bestimmtheitsproblem erkannte der VGH nicht (Beschluss v. 23.04.2025, Az.: 2 S 1319/24).
Es wird deutlich, wie unterschiedlich Sachverhalte wie die Gesamtschuldnerschaft im Abgabenrecht bei ähnlichen Landesregelungen beurteilt werden können. Für Aufgabenträger im Einzugsbereich des VG Dresden ist bei der Satzungsgestaltung jedenfalls Vorsicht geboten. [GGSC] berät öffentliche Aufgabenträger umfassend bei der Satzungsgebung und der Gebührenkalkulation zwecks Refinanzierung ihrer Leistungen.