Newsletter Abfall November 2020

Gewerbliche Sammlungen – Anwendung der BVerwG-Rechtsprechung

Bereits im September-Newsletter berichtete [GGSC] über die Urteilsgründe der weitreichenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.07.2020 (vgl. bereits Abfall Newsletter September 2020).

Im Lichte dieser Rechtsprechung ergehen nunmehr die ersten Entscheidungen der Verwaltungsgerichte, die die Maßstäbe des BVerwG zu den Voraussetzungen der Untersagung einer Gewerblichen Sammlung anwenden. So hat das VG Würzburg - unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das BVerwG - in seinem Urteil vom 16.10.2020 (Az.: W 10 K 18.1146) einen Bescheid, mit dem der Klägerin untersagt wurde, eine gewerbliche Sammlung von Alttextilien und -schuhen durchzuführen, für rechtswidrig erklärt.

Untersagungsgründe des Bescheids

Die beklagte Behörde stützte ihre Untersagungsverfügung auf eine mangelnde Darlegung der ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung der Altkleider und Altschuhe und somit auf den Untersagungsgrund des § 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 2 KrWG. Ferner stünden der Sammlung auch überwiegende öffentliche Interesse entgegen, da diese in ihrer konkreten Ausgestaltung auch im Zusammenwirken mit anderen Sammlungen die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers gefährde. Die Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des örE werde wesentlich beeinträchtigt, weil durch die Sammlung der Klägerin Abfälle erfasst würden, für welche der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger eine haushaltsnahe sowie eine sonstige hochwertige getrennte Erfassung und Verwertung der Abfälle durchführe.

Entscheidung des Gerichts

Das VG Würzburg erachtete die Untersagungsverfügung für rechtswidrig. So hegte das Gericht keine Zweifel daran, dass die Darlegungen der Klägerin in ihrer Sammlungsanzeige und ihren Begleitschreiben den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. In Anlehnung an die ständige Rechtsprechung erfordere eine ordnungsgemäße Darlegung (1.) die nachvollziehbare Schilderung eines pauschalen Verwertungsweges sowie (2.) die namentliche Benennung des Entsorgungsunternehmens, an welches die Abfälle geliefert werden sollen und (3.) einen geeigneten Beleg, dass dieses Unternehmen willens und in der Lage ist, die Abfälle der Sammlung für den gesamten Sammlungszeitraum anzunehmen.

Diese Anforderungen sah das VG Würzburg erfüllt. Insbesondere sei mit den im Rahmen des Anzeigeverfahrens vorgelegten Unterlagen auch dem Umstand ausreichend Rechnung getragen worden, dass die von der Klägerin gesammelten Alttextilien grenzüberschreitend in einen anderen EU-Mitgliedstaat verbracht werden sollten.

Verhältnis zum Abfallverbringungsrecht

Insoweit stellt die Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 über die grenzüberschreitende Verbringung von Abfällen (EU-AbfallverbringungsVO) besondere Anforderungen auf, welche wegen des Anwendungsvorrangs unionsrechtlicher Rechtsvorschriften die Anforderungen des § 18 Abs. 2 Nr. 4 und 5 KrWG teilweise überlagern und modifizieren. Diesen Anforderungen sei die Klägerin durch die Vorlage des mit dem abnehmenden Unternehmen geschlossenen Vertrages ausreichend nachgekommen. Zu der umstrittenen Frage, ob zur Erfüllung der Darlegungspflicht darüber hinaus auch das Formblatt gemäß Anhang VII der EGAbfallverbringungsVO vorgelegt werden muss, hat sich das Gericht dahingehend positioniert, dass das Formblatt gemäß Art. 18 Abs. 1 EGAbfallverbringungsVO erst bei dem konkreten Vorgang der grenzüberschreitenden Verbringung von Abfällen von Versender und Empfänger auszufüllen ist und somit vor einer Aufnahme der Sammlungstätigkeit und erstmaligen Verbringung der gesammelten Abfälle in den anderen Mitgliedstaat nicht vorgelegt werden kann bzw. muss.

Berechnung der Irrelevanzschwelle

Hinsichtlich des Untersagungsgrundes der entgegenstehenden öffentlichen Interessen folgt das VG Würzburg der jüngsten Entscheidung des BVerwG. So wurde bei der Berechnung der Irrelevanzschwelle im konkreten Fall eine sog. „Geistersammlung“, die im Jahre 2014 angezeigt, jedoch weder untersagt noch durchgeführt wurde, bei der anzustellenden Prognose der anstehenden Veränderungen nicht einbezogen. Darüber hinaus berücksichtigte das VG Würzburg in seiner Entscheidung, dass die hinzutretenden Sammlungen sich nicht allein zu Lasten des örE auswirken. Schließlich wurden im Rahmen der Prognose und Bewertung nicht die Auswirkungen auf den Marktanteil des örE, sondern vielmehr die Einbußen in seiner tatsächlichen Sammelmenge betrachtet.

Unzuverlässigkeit kann als Grund nachgeschoben werden

Obwohl der Untersagungsbescheid nicht darauf gestützt wurde, prüfte das VG Würzburg, ob sich die Untersagungsverfügung nicht auch auf eine Unzuverlässigkeit der Klägerin oder der für die Leitung oder Beaufsichtigung der Sammlung verantwortlichen Personen im Sinne von § 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 KrWG stützen ließe. Auf die vom BVerwG erst klargestellten Fragen, welche Relevanz solchen Rechtsverstößen zukommt, welche sich nicht oder nur mittelbar auf das Schutzgut der Umwelt bei der Bewirtschaftung von Abfällen beziehen und, wie weit der räumliche Kreis der erforderlichen abfallbehördlichen Ermittlungen bei der Prüfung einer Sammlungsuntersagung nach § 18 Abs. 5 Satz 2 Alt. 1 KrWG zu ziehen ist, kam es im vorliegenden Fall hingegen nicht an. Insoweit erachtete das Gericht den allein in Rede stehenden Rechtsverstoß in Anbetracht des mit einer Untersagung bewirkten gravierenden Grundrechtseingriffs (Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG) für eine negative Prognose gerade nicht für ausreichend.

Zusammenfassung

Die Entscheidung veranschaulicht die Untersagungsgründe des §18 Abs. 5 Satz 2 KrWG und verdeutlicht einmal mehr, dass insbesondere eine Untersagung wegen entgegenstehender öffentlicher Interesse im Lichte der jüngsten BVerwG-Entscheidung immer anspruchsvoller wird.

[GGSC] berät und vertritt regelmäßig Kommunen und kommunale Entsorger in Auseinandersetzungen um gewerbliche Sammlungen. Darüber hinaus richtet [GGSC] am 18.11.2020 ein Online-Seminar zum Thema „Update Gewerbliche Sammlungen – Umsetzung der neuesten Rechtsprechung“ aus.

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