Newsletter HOAI Juli 2019

Welche Auswirkungen hat dieses Urteil – sofort und mittelfristig?

Unmittelbare Wirkung

Das Urteil bedeutet nicht etwa, dass § 7 HOAI ab sofort nichtig wäre; vielmehr gilt die Vorschrift im Prinzip weiter, bis die Bundesrepublik das Urteil umgesetzt und die HOAI angepasst hat. Denn Urteile in sog. Vertragsverletzungsverfahren binden nur die EU und das beklagte Land, hier also die Bundesrepublik; aber solche Urteile schlagen nicht direkt auf das nationale Recht durch. Die unmittelbare Folge lautet also „nur“: Die Bundesrepublik muss das Mindestsatzgebot abschaffen und die HOAI anpassen.

Dabei bleibt es aber nicht. Denn auch wenn das Urteil keine unmittelbare Auswirkung auf § 7 HOAI hat, gibt es sehr wohl mittelbare Auswirkungen, und zwar spürbare:

Mittelbare Auswirkungen?

Schon in den vergangenen Monaten hat in der Fachwelt eine heftige Debatte begonnen, welche Folgerungen man aus dem zu erwartenden Urteil des EuGH ziehen müsse, in der Schwebephase, bis die Bundesrepublik die HOAI angepasst hat. Im Kern lassen sich dabei drei Meinungen unterscheiden:

  • Nach einer Auffassung ändert sich zunächst einmal gar nichts, denn Urteile des EuGH hätten nun einmal keine direkte Auswirkung auf das nationale Recht. Erst wenn der Bund reagiert habe und die HOAI-Regelungen sich geändert hätten, würde dann – für die Zukunft – neues Recht gelten. Bis dahin bleibe alles beim Alten.
  • Eine zweite Auffassung vertritt das komplette Gegenteil, jedenfalls dort, wo staatliche Stellen im Spiel sind: Die EU-Mitgliedsstaaten seien verpflichtet, Urteilen des EuGH und der betroffenen Richtlinie (Dienstleistungsrichtlinie) sofort Geltung zu verschaffen, auch in der Schwebephase bis zur Rechtsänderung. Das bedeute, dass staatliche Auftraggeber ab sofort nicht mehr an das Mindestsatzgebot gebunden seien; außerdem bedeute das, dass staatliche Gerichte – sogar in laufenden Klageverfahren über Mindesthonorar – keine Befugnis mehr hätten, den Mindestsatz der HOAI durchzusetzen. Nach dieser zweiten Auffassung soll es also keinerlei Vertrauensschutz geben (!).
  • Zu einer dritten Auffassung gibt es ein erstes Gerichtsurteil (LG Hamburg, 23.05.2019): Nach diesem Urteil könne es Konstellationen geben, in denen die Honorarvereinbarung an bestimmten Formalien der HOAI scheitere, die mit dem Mindestsatzgebot gar nichts zu tun haben (Schriftform, Zeitpunkt der Vereinbarung). Wenn das der Fall sei, dann gelte für das Honorar das BGB als Auffangvorschrift; nach dem BGB bestehe dann Anspruch auf das „übliche“ Honorar (§ 632). Und „üblich“ sei nun einmal derzeit immer noch, nach HOAI abzurechnen. Diese dritte Auffassung führt also jedenfalls in Sonderkonstellationen über einen Umweg dazu, dass letztlich doch noch der Mindestsatz gezahlt werden müsse.

Einigkeit besteht aber in einem nicht ganz unwichtigen Punkt: Das Urteil des EuGH richtet ausschließlich gegen die gesetzliche Vorschrift des Mindestsatzgebots in § 7 HOAI. Es hat keinerlei Auswirkungen auf (wirksam getroffene) vertragliche Vereinbarungen. Wenn es also im jeweiligen Projekt eine solche wirksame Vereinbarung gibt, dann bleibt diese immer bindend.

Dieser Zwischenstand erlaubt eine Reihe konkreter Folgerungen, wie man sich in laufenden und künftige Projekten verhalten sollte.

Weitere Artikel des Newsletters

Bei Projekten, in denen vor dem 04.07.2019 Planungsaufträge ausgelöst wurden, muss man danach differenzieren, was für Honorarvereinbarungen die Vertragspartner getroffen haben; die Rechtslage kann sich je nachdem stark voneinander unterscheiden:
weiter
Was gilt, wenn eine Honorarforderung streitig ist? Hier muss man zwei Konstellationen unterscheiden: Fälle, zu denen bereits ein Gerichtsverfahren anhängig ist; und Fälle, in denen bisher „nur“ über das Honorar diskutiert oder außergerichtlich gestritten wird.
weiter