Newsletter Energie Oktober 2021

Entschädigung für Netzabschaltungen - Rechtliche Klärung, aber holprige Umsetzung

Im Nachgang zum grundlegenden BGH-Urteil vom 11. Februar 2020 werden die Rechtsprechungskonturen der Entschädigung für Netzabschaltungen immer fester. Gleichwohl verläuft die Durchsetzung mitunter schleppend. Wir hatten darauf hingewiesen, dass nach dem BGH-Urteil offen geblieben ist, wie der betroffene Netzbereich für den maßgeblich ist, ob noch eine elektr. Spannung am Netzanschlusspunkt anliegt, räumlich und technisch zu fassen ist.

Diese Frage erscheint durch zwei neue Entscheidungen – des OLG Naumburg (Urteil v. 25.09.2020 – 7 U 25/18) und des BGH (Urteil v. 26.01.2021 – XIII ZR 17/19)  – nunmehr geklärt. Entscheidend ist danach, ob in dem Netzabschnitt zum jeweiligen gesetzlichen Netzverknüpfungspunkt noch eine (Rest-) Einspeisemöglichkeit bestand.

Die Prüfungsreihenfolge dafür, ob eine Entschädigung zu zahlen bzw. zu fordern ist, stellt sich danach grob skizziert wie folgt dar:

1. Einspeiseleistung auf dem betreffenden Netzabschnitt

Einspeiseleistung kann durch Anlagen oder Anlagenteile des Betreibers selbst noch vorhanden sein. Dies ist bspw. der Fall, wenn die Einspeisereduzierung nicht auf 0 erfolgte oder weitere eigene Anlagen jedenfalls in Teilen eingespeist haben. Es kann aber auch sein, dass die Einspeisung durch Anlagen oder Anlagenteile anderer Betreibergesellschaften am gleichen Leitungsabschnitt erfolgte. Dies ist in tatsächlicher Hinsicht zu prüfen.

2. Alternative Einspeisemöglichkeiten

Auch wenn tatsächlich keine Spannung an dem betreffenden Leitungsabschnitt anlag, kann ein Entschädigungsfall i. S. v. § 15 EEG vorliegen, weil die technische Möglichkeit hierzu gegeben war, bspw. weil eine Kupplungsschaltung vorhanden ist. Eine weitere Fallgruppe, die unter diesem Schlagwort erörtert werden kann, ist, dass eine technische Möglichkeit mit geringem Aufwand hätte geschaffen werden können, bspw. durch einen Umspannvorgang.

3. Engpass unter Abschaltungsminimierungsgesichtspunkten schlecht gemanagt

Diese Fallgruppe ist in den eingangs erwähnten Entscheidungen nicht explizit diskutiert worden, dürfte aber gleichwohl zum gleichen Ergebnis führen. Sie ist aber naturgemäß gegenüber der Netzbetreiberin schwerer nachweisbar. Hierunter fallen etwa Fälle, in denen die Abschaltzeiten insbesondere auch unter Berücksichtigung der vorstehenden Gesichtspunkte zu lang bemessen waren oder alternative Maßnahmen für den beabsichtigten Zweck (Reparatur/Ausbau) außer Acht gelassen wurden.

4. Alternativencheck bei langwierigen Abschaltungsperioden

Jedenfalls künftig sollte in Folge der nunmehr bekannten Maßstäbe der Rechtsprechung gerade bei aufwendigen Netzausbaumaßnahmen gleich zu Beginn größerer Netzabschaltungsperioden geschaut werden, ob entschädigungslose Netzabschaltungen durch kostengünstigere technische Alternativen zu verhindern sind. So kann nach dem Vorstehenden bspw. technische Anpassungen/Erweiterungen des Betreiberumspannwerks dazu führen, dass Netzabschaltungen entschädigungspflichtig sind, die ansonsten ohne Entschädigung erfolgen würden. Um die Wirtschaftlichkeit solcher Maßnahmen einschätzen zu können, sollten die Betreiber frühzeitig darauf drängen, die hierfür relevanten Informationen zu erhalten.

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