Newsletter Energie Juli 2020

VG Arnsberg bestätigt immissionsschutzrechtliche Genehmigung für Windpark Knippen

Das VG Arnsberg hat mit Urteil vom 18.05.2020 die Klage eines Anwohners gegen die vom Kreis Siegen-Wittgenstein erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung für den Betrieb von drei Windenergieanlagen (WEA) abgelehnt. Dem Urteil war eine langjährige Auseinandersetzung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren von fast 4 Jahren vorausgegangen.

Ausgangssituation/Historie

Ein Anwohner hatte Widerspruch gegen die im August 2015 erteilte Genehmigung eingelegt. Einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung lehnte das VG Arnsberg Anfang Oktober 2016 ab. Im April 2017 änderte das OVG Münster den Beschluss des VG Arnsberg ab und stellte die aufschiebende Wirkung wieder her. In der Folgezeit konnte [GGSC] durch entsprechende Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO erreichen, dass die Betreibergesellschaft die WEA errichten und in Betrieb nehmen konnte. Allerdings stellte das OVG Münster mit teilweise sehr problematischen Begründungen die aufschiebende Wirkung zweimal wieder her. Als wesentlichen Einwand führte das OVG Münster an, dass die Untersuchungen zum Rotmilan und zum Schwarzstorch nicht umfangreich genug seien und deshalb eine fehlerhafte UVP-Vorprüfung vorläge.

Die Betreibergesellschaft führte dann – begleitet von [GGSC] zusätzliche und sehr umfangreiche Kartierungen durch. Diese Gutachten belegten, dass – wie von der Genehmigungsbehörde angenommen – keine Beeinträchtigungen geschützter Arten anzunehmen waren; mithin die erteilte Genehmigung rechtmäßig war. Gleichzeitig führte die Genehmigungsbehörde ergänzende UVP-Vorprüfungen durch.

Im Jahr 2020 konnte [GGSC] dann neben dem abweisenden Urteil in der Hauptsache auch erreichen, dass die sofortige Vollziehung durch einen entsprechenden Beschluss des VG Arnsberg wiederhergestellt wurde.

Der Betreibergesellschaft entstand allerdings durch die vom OVG angeordneten Baustopps und Betriebsunterbrechungen ein enormer finanzieller Schaden.

Der Fall enthielt umfangreiche naturschutz- und nachbarschutzrechtliche Themen. Besonders hervorzuheben sind darüber hinaus die verfahrensrechtlichen Aspekte.

Weite Auslegung möglicher Verfahrensfehler als Damoklesschwert für Betreiber von WEA

Private Dritte und damit Anwohner können sich - anders als Naturschutzvereine – bei Anfechtung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nicht auf mögliche Verstöße gegen naturschutzrechtliche Vorschriften wie z.B. die Verletzung artenschutzrechtlicher Verbote stützen. Ein erforderliches subjektiv-öffentliches Rechts vermittelt nur mögliche Beeinträchtigungen durch Lärm, Schatten, optisch bedrängende Wirkung, Geruch.

Allerdings ermöglicht das Umweltrechtsbehelfsgesetz auch Privaten wie Anwohnern, mögliche Mängel einer UVP-Vorprüfung als Verfahrensfehler rügen zu können. Insoweit ist zwar umstritten, ob daneben nicht auch ein subjektiv-öffentliches Recht betroffen sein muss. In der Praxis legen die Verwaltungsgerichte eine mögliche subjektive Betroffenheit aber eher weit aus. Sobald es nicht ausgeschlossen scheint, dass durch den Betrieb der WEA ggf. unzumutbare Beeinträchtigungen durch Lärm oder Schall gegeben sein könnten (z.B. selbst bei einer Entfernung des Wohnhauses von 2.000 m zur WEA (!), reicht dies meist bereits aus, dass Anwohner auch Verfahrensfehler rügen können (vgl. § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 Umweltrechtsbehelfsgesetz).

Bei der Prüfung, ob eine fehlerhafte UVP/UVP-Vorprüfung vorliegt, findet dann aber praktisch eine inhaltliche Prüfung z.B. artenschutzrechtlicher Verbotstatbestände statt. Ausgangspunkt dieser Prüfung ist dann, ob der Genehmigungsbehörde im Rahmen ihrer Umweltverträglichkeitsvorprüfung ein ausreichender Sacherhalt zugrunde lag, um die Beeinträchtigung besonders geschützter Arten, wie z.B. die Erhöhung des Tötungsrisikos für den Rotmilan ausschließen zu können.

Verlagerung des Streits ins vorläufige Rechtsschutzverfahren

Eine besonders schwierige Situation entsteht für die Betreiber, wenn die Verwaltungsgerichte im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gem. § 80 Abs. 5 i.V.m. § 80a VwGO die Rechtmäßigkeit der erteilten Genehmigung bereits dann in Frage stellen, wenn „begründete Zweifel“ bestehen und sich bei komplexen Verfahren offene Erfolgsaussichten auch ohne detaillierte Prüfungen ergeben können. Ein Risiko, dass ein Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung eines Drittwiderspruchs wiederherstellt, kann sich zusätzlich daraus ergeben, dass ein Gericht – wie vorliegend das OVG Münster – nicht fachmännische Beobachtungen Dritter ausreichen lässt, um Zweifel an der Vollständigkeit der vorgelegten artenschutzrechtlichen Gutachten anzunehmen.

Gleichzeitig benötigen die Verwaltungsgerichte oft sogar Jahre, bis sie im Hauptsacheverfahren den relevanten Sachverhalt detailliert prüfen können.

Ein im vorläufigen Rechtsschutzverfahren verhängter Baustopp/eine angeordnete Betriebsunterbrechung bedeutet daher schnell den drohenden Projektabbruch und das Risiko einer Insolvenz der Betreibergesellschaft.

Der letzte Ausweg besteht dann in einem Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO. Dieses weist allerdings verschiedene rechtliche Fallstricke auf. So bleibt zu berücksichtigen, dass in diesem Verfahren nicht die Rechtmäßigkeit eines im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gefassten Beschlusses überprüft werden darf. Der Antragsteller muss daher veränderte rechtliche Umstände oder neue Tatsachen wie z.B. neue Gutachten vortragen.

Fazit und Ausblick

Die auf das Umweltrechtsbehelfsgesetz gestützten umfangreichen Anfechtungsrechte sowohl von Naturschutzverbänden als auch Privaten und deren Ausweitung auf Verfahrensfehler sind eine echte Herausforderung und ein ernstzunehmendes Risiko für Windenergievorhaben. Es bleibt abzuwarten, ob die inzwischen vorgesehene Begrenzung der Klagebegründungsfrist von 10 Wochen gem. § 6 Umweltrechtsbehelfsgesetz hier weiterhelfen kann. Dies wird auch davon abhängen, ob und wie großzügig die Verwaltungsgerichte von den Klägern gestellte Fristverlängerungsanträge bewilligen bzw. bewilligen dürfen.

In jedem Fall sind die kürzlich beschlossenen Hemmungen und Aussetzungen für Pönale und den Beginn des Vergütungszeitraums angesichts der zunehmenden Drittschutzklagen für Ausschreibungsprojekte hilfreich (vgl. nachfolgenden Artikel zu rechtlichen Neuerungen).

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