Newsletter Bau Mai 2019

Wann sind kommunale Wohnungsbaugesellschaften öffentliche Auftraggeber?

Ein kommunales Wohnungsbauunternehmen, das mit Gewinnerzielungsabsicht auf einem echten Nachfragemarkt agiert, mag dieser Markt aufgrund von Wohnungsknappheit noch so dysfunktional sein, ist kein öffentlicher Auftraggeber im Sinne des Vergaberechts.

Der Fall

Die Wohnungsbaugesellschaft W GmbH, die im Eigentum der Stadt HH steht, schreibt Generalunternehmerleistungen für den Neubau von 104 Wohnungen, Gewerberäumen und 31 Tiefgaragenstellplätzen im Wert von über 14 Mio. € ohne Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens aus. Der Bieter B meint, es handele sich um eine rechtswidrige de-facto Vergabe. W nehme für die Stadt Aufgaben der Wohnraumversorgung und damit öffentliche Interessen wahr und sei nicht gewerblich tätig, weshalb W ein öffentlicher Auftraggeber im Sinne des Oberschwellenvergaberechts sei. Nachdem die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag abweist, legt B Beschwerde zum OLG Hamburg ein.

Die Entscheidung

Das OLG (OLG Hamburg, Beschluss vom 11.02.2019, 1 Verg 3/15) weist die Beschwerde ab. Die W GmbH erfüllt zwar zweifelsohne Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge, in dem die Stadt HH über sie u.a. günstigen Wohnraum anbietet. Allerdings ist die W gewerblich tätig, weshalb sie nach § 98 Nr. 2 GWB a.F. (§ 99 GWB n.F.) kein öffentlicher Auftraggeber ist. Die W handelt mit Gewinnerzielungsabsicht, was keine Absicht zur Gewinnoptimierung oder gar -maximierung voraussetzt. Die Tatsache, dass in der Vergangenheit erhebliche Gewinne erwirtschaftet und reinvestiert wurden, reicht dem OLG aus, zumal die W GmbH im laufenden Verfahren eine Gemeinnützigkeitsklausel aus der Satzung gestrichen hatte. Öffentliche Mittel nahm sie nicht in Anspruch. Die W GmbH tritt auch in echten Wettbewerb mit privaten Wohnungsbauunternehmen auf dem Hamburger Mietwohnungsmarkt. Dass Argument des B, auf dem lokalen Wohnungsmarkt in HH herrschten keine Marktbedingungen, weil dieser so angespannt, sei, dass die Nachfrage nach günstigem Wohnraum das Angebot übersteige, lässt das OLG nicht gelten. Maßgeblich ist, ob sich die W durch Zutun des Staates in einer marktbezogenen Sonderstellung befand, was nicht der Fall war. Schließlich bestanden auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Stadt HH eine mögliche Insolvenz der W in jedem Fall abwenden würde.

Einordnung und praktische Relevanz

Der Beschluss steht in einer Reihe von Entscheidungen der Vergabekammern und Oberlandesgerichte. Für die Frage, ob kommunale Wohnungsbaugesellschaften öffentliche Auftraggeber sind und deshalb oberhalb der Schwellenwerte europaweit ausschreiben müssen, kommt es entscheidend darauf an, ob es auf dem relevanten kommunalen Wohnungsmarkt ernstzunehmende Wettbewerber gibt oder sich das Wohnungsbauunternehmen durch staatliche Förderung in einer „Quasi-Monopol-Stellung“ befindet. Hier herrschen regional große Unterschiede. In den meisten Großstädten herrscht wohl, wenn auch derzeit kaum funktionierender, Wettbewerb. In mittelgroßen und kleineren Städten und Kommunen mit traditionell großem Wohnungsbeständen ist dies oft anders.

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