Newsletter Vergabe Juli 2021

Ausschreibungserfordernis von Betreiberverträgen für Kindergärten

Bei der Auswahl des Betreibers eines Kindergartens ist Vergaberecht anzuwenden: So hat das OLG Jena in seinem Beschluss vom 09.04.2021, Verg 2/20, entschieden. Die Antragsgegnerin, eine Kommune, hatte unter expliziter Ausklammerung des Vergaberechts zunächst ein Interessenbekundungsverfahren durchgeführt und sodann einen Betreiber ausgewählt. Dieses Vorgehen wurde von dem Gericht als rechtswidrig bestätigt.

GWB umfasst auch soziale Dienstleistungen – keine ausdrückliche Ausnahme (wie z.B. für Rettungsdienstleistungen)

Die Vergabe des Betreibervertrages ist vom Anwendungsbereich des GWB-Vergaberechts erfasst. „Für die Vergabe von Verträgen über den Betrieb eines Kindergartens sieht das Vergaberecht – anders als für Rettungsdienstleistungen, vgl. § 107 Abs. Nr. 4 GWB – keine Einschränkung seines Anwendungsbereichs vor. Vielmehr gibt § 130 GWB i.V.m. Anhang XIV der Richtlinie 2014/24/EU zu erkennen, dass öffentliche Aufträge über soziale und andere besondere Dienstleistungen grundsätzlich von seinem Anwendungsbereich erfasst werden (…). Der Betrieb eines Kindergartens unterfällt dabei der Kategorie „Dienstleistungen des Gesundheits- und Sozialwesens und dazugehörige Dienstleistungen“. Die zugehörigen Erläuterungen der EU-Kommission benennen diesbezüglich exemplarisch die „Kinderbetreuung in Tagesstätten“.

Unabhängig von der Praxis der Vergabe von Betreiberverträgen für Kindergärten in Deutschland und der (empfundenen Un-) Geeignetheit der zur Verfügung stehenden Verfahren hat diese mithin unter Beachtung des Vergaberechts zu erfolgen, sofern dessen Anwendungsbereich im Übrigen eröffnet ist. Das Gericht betont außerdem, dass die Anwendung des Vergaberechts in den Bereichen der Daseinsvorsorge nicht in das Belieben der EU-Mitgliedsstaaten gestellt ist. Diese Auffassung übersehe die gesetzliche Bestimmung des Anwendungsbereichs des GWB-Vergaberechts.

Betreibervertrag ist keine Dienstleistungskonzession?

Bei dem Betreibervertrag handelt es sich nicht um eine Dienstleistungskonzession i.S.v. § 105 Abs. 1 Nr. 2 GWB: Eine solche erfordert, dass der Konzessionsnehmer das wirtschaftliche Risiko trägt. Das sieht das Gericht hier als nicht gegeben. Ein rein abstraktes wirtschaftliches Risiko genüge insoweit nicht. Das Risiko fehle, wenn nach menschlichem Ermessen rote Zahlen während der Vertragslaufzeit ausgeschlossen werden können. Weil bei dem Betrieb des Kindergartens alle erforderlichen Kosten vom Auftraggeber vollständig ausgeglichen werden, sah das Gericht unter normalen Bedingungen kein Risiko für den Betreiber, seine Kosten nicht decken zu können. Es wirke sich nicht wirtschaftlich auf den Betreiber aus, wenn die Einnahmen aus Elternbeiträgen schwanken. Bei der Bestimmung, welche Kosten erforderlich seien, stünde dem Auftraggeber auch kein Entscheidungsspielraum zu, der dem Auftragnehmer wiederum ein Risiko aufbürde: Bei dem Begriff der Erforderlichkeit nach § 21 Abs. 4 ThürKigaG handele es sich um einen gerichtlich voll überprüfbaren unbestimmten Rechtsbegriff.

Betreibervertrag ist keine Dienstleistungskonzession?

Das Risiko der Misswirtschaft sei ebenso wie dasjenige einer Fehlkalkulation und eine Berücksichtigung der arbeitsrechtlichen und arbeitsmarktspezifischen Rahmenbedingungen stets vom Auftragnehmer zu tragen. Dies rechtfertigt also noch nicht die Annahme, der Auftragnehmer trage das Betriebsrisiko. Dann aber kommt denknotwendig nur ein „normaler“ Dienstleistungsauftrag mit den dort geltenden Schwellenwerten in Betracht, die deutlich unterhalb derer für Dienstleistungskonzessionen ansetzen.

Die begrifflichen Anforderungen an das Vorliegen eines Dienstleistungsauftrags i.S.v. § 103 Abs. 4 GWB waren jedenfalls nach Auffassung des Gerichts im konkret entschiedenen Fall erfüllt. Es liege ein Beschaffungscharakter vor, weil Vertragsgegenstand eine Leistung ist, die ohne Beauftragung eines konkreten Betreibers von den Gemeinden und damit auch der Antragsgegnerin selbst erbracht werden müsste. Die Pflicht der Bereitstellung von Kindergartenplätzen der Auftraggeberin ergab sich aus Landesrecht.

Auch eine Entgeltlichkeit sei gegeben, unabhängig davon ob die vertraglich vorgesehene Vergütung auf den Ersatz der Kosten beschränkt bleibt, die durch die Erbringung der vereinbarten Dienstleistung entstehen. Der maßgebliche Schwellenwert für den Dienstleistungsauftrag von 750.000 € (soziale Dienstleistung) sei bei Berücksichtigung der automatischen Verlängerungsmöglichkeit, die im Vertrag vorgesehen war, für den somit als Auftrag mit unbestimmter Laufzeit zu qualifizierenden Auftrag überschritten.

Fazit

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die Grundaussage der Entscheidung einerseits (auch der Betrieb von Kindergärten unterfällt dem Vergaberegime) und die Einschätzung als „üblicher“ Dienstleistungsvertrag jenseits der Dienstleistungskonzession voraussichtlich wohl differenziert einzuschätzen sind. Die Vergabepflicht wird wohl nicht bestritten werden können, allerdings unter den Sonderbestimmungen für soziale Dienstleistungen. Ob im Einzelfall eine Dienstleistungskonzession vorliegt oder nicht, ist aber wohl jedes Mal wieder neu zu bestimmen und hängt zentral von der konkreten Vertragsgestaltung ab.

[GGSC] berät öffentliche Auftraggeber bei der Ausgestaltung von Betreiberverträgen jeglicher Art und verfügt auch über eine ausgewiesene Expertise bei der Ausgestaltung von Konzessionsverträgen.

Co-Autorin: Fanny Jahnke

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