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[GGSC] Verfahrensinformation: Neonicotinoide von Bayer vor Gericht - Generalanwältin bestätigt Urteil des EuG weitgehend

21.09.2020

In dem Verfahren sind erhebliche Defizite der Risikoprüfung bei Pestizid-Wirkstoffen aufgedeckt worden. Das Neonicotinoid-Urteil des EuG ist ein Meilenstein für den Insektenschutz in der industriellen Landwirtschaft. Nur nachweislich unschädliche Pestizidprodukte können ihre Genehmigung umfassend behalten, wenn sich Risiken herausstellen.

In der vergangenen Woche hat die Generalanwältin beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) im Rechtsstreit um das Teilverbot bienenschädlicher Neonicotinoide ihre Schlussanträge veröffentlicht. Diese Schlussanträge enthalten einen begründeten Entscheidungsvorschlag für das Gericht.

[GGSC] vertritt in den sehr umfangreichen Gerichtsverfahren (ca. 7.000 Seiten Prozessstoff) Imkerverbände als Streithelfer: Den Deutschen Berufs- und Erwerbsimkerbund (DBIB) und den
Österreichischen Erwerbsimkerbund (ÖEIB). Die Intervention der Verbände zur Verteidigung des Teilverbots wird von der Aurelia-Stiftung unterstützt, die Bündnisse zum Schutz der Bienen koordiniert.

Gegenstand des Rechtsstreits sind Verordnungen der EU-Kommission (2013), in denen mehrere Genehmigungen für Pestizidwirkstoffe erheblich eingeschränkt wurden.

Das Gericht 1. Instanz in Luxemburg (EuG) bestätigte 2018 diese Teilverbote für die Neonicotinoide Clothianidin (Bayer), Imidacloprid (Bayer) und Thiamethoxam (Syngenta).

Während Syngenta das Urteil des EuG akzeptiert hat, hat Bayer Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingelegt.

Die Generalanwältin hält dieses Urteil des EuG im Wesentlichen für korrekt. Nach Auffassung des EuG durften die Genehmigungen für die Neonicotinoide im Rahmen einer Überprüfung nach Art. 21 der Verordnung (EG) 1107/2009 eingeschränkt werden, weil ernsthafte Zweifel an ihrer Unschädlichkeit bestehen. Nach der Feststellung des Gerichts genügten die wissenschaftlichen Hinweise auf Risiken für Bienen, um die Maßnahmen der EU-Kommission zu rechtfertigen.

Die Generalanwältin unterstreicht die grundlegende Bedeutung des Verfahrens, in dem übergreifende Auslegungsfragen der EU-Pflanzenschutzverordnung hinsichtlich der Risikoprüfung und Genehmigung von Pestiziden geklärt werden. Nach Auffassung der Generalanwältin ist das Teilverbot der Neonicotinoide gerechtfertigt.  

Lediglich das Komplettverbot der nichtgewerblichen Verwendung der Neonicotinoide geht ihrer Auffassung nach zu weit.

Dem Gericht sind zwar – der Generalanwältin zufolge - Fehler bei der Kontrolle der Risikoprüfung unterlaufen; diese Fehler führen aber nicht zur Aufhebung des Urteils und stellen erst recht nicht die Teilverbote der EU-Kommission in Frage.

Die Generalanwältin bestätigt unsere im Prozess vertretene Auffassung, dass schon die methodischen Defizite und Datenlücken in der ursprünglichen Risikoprüfung hinreichende Zweifel begründen, dass die Neonicotinoide die Genehmigungskriterien nicht mehr erfüllen.

Wenn daher der begründete Verdacht besteht, dass ein genehmigter Pestizidwirkstoff schädlich sein könnte, bleibt es Sache der Hersteller, bei der Überprüfung der Wirkstoffgenehmigung Zweifel auszuräumen und nachzuweisen, dass weiterhin sämtliche Genehmigungsanforderungen erfüllt sind. Diesen Nachweis hat Bayer auch aus Sicht der Generalanwältin nicht erbracht.

Bisher ist kein vergleichbarer Fall bekannt, in dem die Kommission die Vermarktung genehmigter Produkte von so großer wirtschaftlicher Bedeutung aus Gründen des Umweltschutzes derart weitgehend eingeschränkt hat. 

Mit einem Urteil des EuGH ist in den kommenden Monaten zu rechnen.

Im April 2018 hat die EU ein noch weitergehendes Verbot dieser Neonicotinoide beschlossen, die künftig gar nicht mehr im Freiland eingesetzt werden dürfen. Das kommende Urteil des EuGH wird auch für die Beurteilung dieses weitgehenden Verbots maßgeblich sein.

[GGSC] Verfahrensinformation:  Neonicotinoide von Bayer vor Gericht