Newsletter Bau Mai 2019

Technische Normänderungen im laufenden Bauprojekt

Regelmäßig kommt es dazu, dass sich die anerkannten Regeln der Technik oder DIN-Normen im Laufe eines Projektes verändern. Hierbei stellt sich grundsätzlich die Frage, wer das Risiko einer solchen Veränderung zu tragen hat.

Dabei ist zunächst zwischen öffentlich-rechtlichen und zivilrechtlichen Anforderungen an das Bauwerk zu unterscheiden.

Öffentlich-rechtliche Erteilung der Baugenehmigung maßgeblich

Grundsätzlich gilt eine Planung, die eine Ausführung entsprechend der bauordnungsrechtlichen Genehmigung wählt, als mangelfrei (OLG Schleswig, Urteil vom 01.02.2019, 1 U 42/18). Damit ist für die Bewertung, ob eine Planung mangelfrei ist, der Tag der Erteilung der Baugenehmigung maßgeblich. Die an diesem Stichtag geltenden anerkannten Regeln der Technik bzw. DIN-Normen darf der Bauherr bauordnungsrechtlich seiner Bauausführung zugrunde legen. Nach der Erteilung der Baugenehmigung geänderte anerkannte Regeln der Technik/DIN-Normen darf der Bauherr ignorieren. Die Baugenehmigung gewährt dem Bauherrn insofern Bestandsschutz.

Normänderungen und Werkvertrag

Von der Frage der aus öffentlich-rechtlicher Sicht beim Bau maßgeblich einzuhaltenden Vorschriften strikt zu trennen, ist die Frage, welche Vorschriften Architekten und Unternehmen bei der Bauausführung zivilrechtlich einhalten müssen. Denn maßgeblich nach dem Werkvertragsrecht ist nicht der Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung, sondern der Zeitpunkt der Abnahme. Zum Stichtag der Abnahme schuldet der Auftragnehmer die Einhaltung aller anerkanntenRegeln der Technik, also auch der ggf. zwischen Baubeginn und Abnahme geänderten Vorschriften.

Verändert sich der Standard der anerkannten Regeln der Technik hin zu einem höheren Standard nach Vertragsschluss, kann der Bauherr die Einhaltung des höheren Standards bei der Bauausführung verlangen. Er darf sich aber auch – so die ständige Rechtsprechung des BGH – mit der öffentlich-rechtlich in der Baugenehmigung genehmigten Bauausführung nach den alten anerkannten Regeln der Technik zufriedengeben. Der Bauherr hat hier also ein Wahlrecht.

Von dem Anspruch auf eine bestimmte Leistung zu unterscheiden ist die Frage der Vergütung bzw. des Werklohns.

Hier gibt es unterschiedliche Möglichkeiten:

  • Der Bauherr hält an der bei Vertragsschluss vereinbarten Bauausführung fest. Leistung und Preis passen unverändert zusammen. An der Vergütung ändert sich nichts.
  • Verlangt der Bauherr hingegen die Bauausführung nach den neuen Regeln der Technik, kommt es für den Vergütungsanspruch des Auftragnehmers darauf an, ob dieser die Normänderung im Moment der Angebotskalkulation und des Vertragsschlusses kannte oder sie ihm bekannt sein musste. Ist dies der Fall, muss der Auftragnehmer die höherwertige Leistung kostenlos erbringen. Kannte der Auftragnehmer die Normänderung hingegen nicht und musste er sie auch nicht kennen, muss der die höherwertige Leistung zwar erbringen, bekommt aber auch seine Mehrkosten erstattet. Ist eine solche Änderung bereits bei Vertragsschluss absehbar, ist es daher sinnvoll, dass hier Auftraggeber und Auftragnehmer eine ausdrückliche Regelung treffen.
Normänderung nach Abnahme

Verändert sich das technische Regelwerk zwischen Abnahme und Mangelbeseitigung zu Lasten des Auftragnehmers, erhöht sich mithin der Standard der anerkannten Regeln der Technik und tritt in diesem Zusammenhang ein hiervon betroffener Mangel auf, den der Auftragnehmer beseitigen muss, behandelt die Rechtsprechung diesen Fall so, als ob dem Auftragnehmer eine Normänderung hätte bekannt sein müssen, der Auftragnehmer diese Normänderung jedoch nicht bei der Angebotskalkulation berücksichtigt hat. Die Veränderung des Niveaus der anerkannten Regeln der Technik zwischen Abnahme und Mangelbeseitigung geht also immer zu Lasten des Auftragnehmers. Ist die Mängelbeseitigung also wegen einer Veränderung der anerkannten Regeln zu Lasten des Auftragnehmers mit höheren Kosten verbunden, als dies ohne die Regeländerung der Fall gewesen wäre, liegt dies im Verantwortungsbereich des Unternehmers, denn es handelt sich um eine Folge einer ursprünglich mangelhaften Leistung. Denn ohne den Mangel wäre überhaupt keine Mangelbeseitigung und auch keine Mangelanpassung der Leistung an die später geltenden Regeln der Technik notwendig gewesen. Er hat sich nicht vertragskonform verhalten. Eine Ausgleichspflicht kommt lediglich für einen dem Bauherrn/Auftraggeber möglicherweise entstehenden Mehrwert in Betracht (OLG Schleswig-Holstein, siehe oben).

Fazit

Im Falle einer Normänderung muss sich also stets der Bauherr entscheiden, ob er Wert auf die Einhaltung der des höheren Standards neuerer anerkannter Regeln der Technik Wert legt oder mit der öffentlich-rechtlich legalen Ausführungen nach den nunmehr veralteten Standards leben kann. Wenn es ihm auf die Einhaltung der höherwertigen anerkannten Regeln der Technik ankommt, sollte er vorab prüfen, wie sich dies möglicherweise auf den Angebotspreis und damit einhergehende mögliche Nachzahlungen auswirken wird. Gerade in der Phase vor Vertragsschluss sollte dies verhandelt und unmissverständlich geklärt werden, bevor der Vertrag unterschrieben ist, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.

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